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Alte Weisheiten – neu entdeckt

... achtet die Überlieferung, die aus alter Zeit auf uns gekommen ist, nicht gering; denn oft mag es sein, daß alte Frauen noch Berichte von Dingen im Gedächtnis haben, die einstmals für die Weisen wissenswert waren. - J. R. R. Tolkien, Der Herr der Ringe, Bd. 1: Die Gefährten, S. 451

 

 

 

Das Jahr 1968 kann mit Recht in die Geschichte der Wissenschaft als ein Jahr eingehen, das die bis dahin bekannte Astrologie erschütterte und sie wieder einmal in den Schmelztiegel warf, wo grundlegende Probleme sorgfältig neu überprüft werden. Am Anfang des Jahres, als noch die sonderbaren Quasare den Naturwissenschaftlern Rätsel aufgaben, trieb sie die Neuentdeckung der Pulsare, die noch unerklärlichere Objekte waren als die Quasare, zu weiteren gründlichen Forschungen an. Die Pulsare erstrahlen etwa hunderttausendmal so hell an der Oberfläche wie ein typischer Quasar und senden in unglaublich genauen rhythmischen Radioimpulsen ungeheure Energiemengen aus.

Zur gleichen Zeit bestätigen Messungen der infraroten Strahlen erneut die berühmte Theorie von Professor Fred Hoyle über den "sich stets gleichbleibenden Status" des Universums, die den Gedanken an irgendeine "zeitlich begrenzte Einmaligkeit" ausschaltet. Die grenzenlose Unendlichkeit kann keinen Anfang gehabt haben, sowohl Schöpfung wie Untergang sind ewige, nebeneinander verlaufende Vorgänge. Es wird von unsichtbaren, und aus besonders dichter Materie gebildeten "Neutronensternen" gesprochen, in denen ein Kubikzentimeter über 100 000 000 Tonnen wiegt. Das sind Körper mit einem derartigen inneren Druck, daß sich Elektronen und Protonen zu Neutronen verschmelzen, so daß der ganze Körper einem gigantischen Atomkern gleicht, der bisher nicht vermutete Eigenschaften der Materie an den Tag legt. Die Kräfte der Gravitation können dabei schon genügen, um die Masse in Ausbrüche von Strahlungsenergie umzusetzen.

Auch von "Gravitationswellen" wird gesprochen. Jedenfalls scheint es am Himmel mittlerweile eine Menge Dinge zu geben, von denen wir uns vor ein paar Jahren noch nichts träumen ließen. Und nicht nur am Himmel! Auch die Biologie beschleunigt ihre Fortschritte, so wie es die Physik vor einigen Jahrzehnten schon getan hat. Von allen Seiten unterspülen Ströme neuer Tatsachen die Grundmauern des elfenbeinernen Turmes der exakten Naturwissenschaft, und drängen uns, ein wenig tiefer zu denken und unsere Vorstellung über das Leben und das Universum zu erweitern. Offenbar muß an unserem Bild etwas nicht stimmen.

Die moderne Methode, in materiellen und mechanistischen Begriffen zu denken, kann letzten Endes den alten Philosophien nicht so überlegen sein, deren Denken Verstand und Erkenntnisvermögen zugrunde lag. Wenn man sich vorstellt, daß in aller Materie ein rudimentäres Bewußtsein enthalten ist, das man mit einem vagen Instinkt vergleichen könnte, und daß im ganzen Universum Intelligenz und Zweckmäßigkeit enthalten sind, dann kann man sich eine bessere Vorstellung von allem machen. Auf jeden Fall würde es den Widerspruch beseitigen, der zwischen den in der lebenden Natur beobachteten Vorgängen und jenen in der sogenannten unbelebten Welt, zu sehen ist. Das Hauptmerkmal des lebenden Organismus, das ihn von den übrigen zu unterscheiden scheint, ist die Fähigkeit, mehr Ordnung schaffen zu können. Vom Menschen geschaffene Objekte sind, ebenso wie die Gebirge, u. ä. der Entropie, d. h. dem Verfall, der Verwitterung und ständig zunehmenden Störungen unterworfen.

Lebende Organismen sind ganz offensichtlich imstande, inmitten eines, wie man annimmt, unbelebten Universums, in dem Entropie vorherrschen soll, Ordnung zu schaffen und den Vorrat an Energie in ihren Zellen ständig neu aufzuladen. Betrachten wir aber die ganze Welt als einen lebenden Organismus, dann könnten wir recht gut erkennen, daß alle Ewigkeit für die Entropie nicht lang genug war, um das Universum zu zerstören, dem es - bis an den Rand mit Aktivität angefüllt - anscheinend nicht eilt, dahinzuschwinden, angefangen bei den kleinsten Energiequellen bis hinauf zu den Milchstraßen, die wahrlich in sehr hohen Energiebereichen strahlen.

Als Teil des zu einer Einheit zusammengefaßten Ganzen braucht der Mensch nur einen Blick auf die Vorgänge bei sich selbst zu werfen, um einen Schlüssel für die in der ganzen Natur vor sich gehenden Prozesse zu finden. Zielbewußtes Handeln braucht nur nachzulassen, und Entartung und Verfall setzen ein - nicht nur in der Arbeit, die wir tun, sondern auch in den Körpern, die wir bewohnen. Jeder, der mit alten Leuten zu tun hat, kennt die verheerende Wirkung, die Untätigkeit und Interesselosigkeit auf ihre körperliche Gesundheit haben, während aktiv betriebene Hobbys den Beginn der Vergreisung hinausschieben und Entropie im Gehirn, wenn nicht sogar in einem gewissen Grade, im ganzen Körper verhindern. Die schöpferische Aktivität hat offensichtlich einen höheren Einfluß auf die DNS (Denukleinsäure) im Gehirn als die Abbauneigung, und zwar nicht durch eine Kraft gegen die Prozesse der physischen Materie, die leicht nachzuweisen wäre, sondern dadurch, daß sie diese Materie für schöpferische Zwecke von innen nach außen vollständig umwandelt, und zwar mehr durch die Wechselwirkung des Bewußtseins, als durch bloße mechanische Einwirkung.

Die größten Denker und Weisen der menschlichen Rasse wußten schon immer, daß im Inneren aller Erscheinungsformen des Lebens irgendwo Instinkt, Bewußtsein oder Geist vorhanden sein muß. Im Crest-Jewel of Wisdom, einer alten Hindu-Abhandlung, finden wir folgende Verlautbarung:

... indem die Larve an die Biene denkt, konstruiert sie die Form der Biene.

Nur ein altes Ammenmärchen - oder vielleicht die Wiedergabe einer weit fortgeschritteneren Erkenntnis als wir sie haben? Eine Erkenntnis, die mit den tiefgründigen geographischen Kenntnissen verglichen werden kann, die in manchen sehr alten Seekarten sich widerspiegeln? Für jene Menschen nahm das Geistige eine Schlüsselstellung ein. Für sie gab es kein Leben ohne gegenseitige Beeinflussung aller lebenden Wesenheiten. Jede Erscheinungsform des Lebens betrachtete man als eine Zusammensetzung aus kleineren Lebewesen, die einem höherentwickelten, zentralen Bewußtsein untergeordnet sind, sei es auch, im Vergleich zu unserem Selbstbewußtsein, noch so instinktmäßig und unentwickelt.

Auf einer Tagung der Royal Society in London im vergangenen Juni, wo über das Zellplasma der Organellen gesprochen wurde, konnte man feststellen, daß diese Anschauungen unseren heutigen erstaunlich nahe kommen. Unlängst vorgenommene Arbeiten mit dem Elektronenmikroskop zeigten deutlich, daß lebende Zellen etwas mehr sind als nur "Kerne in Protoplasmabeuteln." Die gesamte Region außerhalb des Kerns war übersät mit subzellaren Organen, Organellen genannt, die genau zur rechten Zeit und genau in der richtigen Weise, komplizierte chemische Vorgänge durchführen. Großes Erstaunen rief in London eine neue Art von Organellen hervor, Mitochondrien genannt, Partikel, in denen der größte Teil der Energie der Zellen erzeugt wird. Sie führen ein mehr oder weniger autonomes Leben innerhalb der Zelle, das sogar so weit geht, daß sie ihr eigenes genetisches Material, DNS, besitzen, wodurch sie imstande sind, ihre eigenen Proteine zu bilden. Aber diese DNS scheint von derjenigen des Kernes sehr verschieden zu sein und tatsächlich mehr einer bakteriellen DNS zu ähneln. Das alles führte zu der faszinierenden Theorie, daß die Mitochondrien aus irgendeiner Art Symbiose zwischen Zellen und Bakterien, die vor vielen Millionen von Jahren begonnen hatte, hervorgegangen sein müssen.

Eine wunderbare Idee! Wie lange haben wir wohl gebraucht, um alle diese kleinen Leben, Zellen genannt, die selbst eine vollkommene Symbiose winziger lebender Wesenheiten mit eigenen Instinkten und eigener Geschichte bilden, zu einem lebendigen Tempel des inneren Gottes harmonisch zu verschmelzen, der nun bereit ist, seine erhabenen Kräfte zum Ausdruck zu bringen? Niemand weiß wie lange es dauerte, bis all jene Funktionen, die jetzt automatisch und unwillkürlich sind, vollständig unter Kontrolle gebracht wurden. Und diese Arbeit geht immer noch weiter. Zur Zeit auf der subtileren Ebene des Denkens und Fühlens, jener widerspenstigen Elemente, die immer ausbrechen wollen und uns dorthin mitnehmen möchten, wo wir gar nicht hin wollen.

Können wir uns nicht vorstellen, daß einmal der Tag kommen wird, an dem alle diese Energien ebenfalls unter die Herrschaft des Prometheus gebracht sein werden, der jetzt noch im Innersten gefesselt ist? Ist es nicht klar, daß jeder weitere Schritt der Selbstbeherrschung, der Selbstläuterung, des Selbstausdruckes des unsterblichen, göttlichen Bewußtseins, das ständig im Hintergrund unserer täglichen Gesinnung steht, ein Schritt ist, der nach vorn führt, ein Kennzeichen dafür, daß wir das Ziel der Evolution erreichen werden? Arjuna überwand alle diese Kräfte, die ihm - einer Offenbarung des Himmelreiches, damals auf Erden als feindlich gesinntes Heer gegenüber zu stehen schienen und wandelte sie um. Sobald sich jemand, wie Arjuna, entscheidet, bewußt an der kosmischen Arbeit teilzunehmen, indem er durch seinen Geist die Wahrheit und Wahrhaftigkeit der spirituellen Seele dieses mächtigen, lebendigen Universums widerspiegelt, wird er sehen, daß alle Kräfte in ihm selbst allmählich seiner Führung folgen. Es gibt keine leblosen Kräfte, und der Geist ist der Schlüssel zu allen.

Die Imagination ist das wichtigste Werkzeug, um das Äußere mit dem Inneren in Einklang zu bringen. Die Imagination ist so wunderbar wie das Wachstum eines prächtigen Baumes aus einem kleinen Samen. Sie wandelt die Substanzen der dunklen Erde um, die ihn einst, als er noch ein Same war, zu ersticken drohte.

Die Larve, die jede Bindung an andere Formen löst und nur noch intensiv an die Biene denkt, wird zur Biene; und ein Mensch, der die Vereinigung mit dem höchsten Selbst sucht und unverwandt daran denkt, daß dieses hohe Ziel Tatsache werden kann, wird ganz und gar in jenes Selbst eingehen und darin verbleiben.

Hierbei verschiebt sich die Grenzlinie ganz offensichtlich nach beiden Seiten. Unterhalb der Linie gibt es unzählbare, winzige, lebende Wesenheiten, die entstanden, um der menschlichen Seele als Ausdrucksmittel zu dienen. Oberhalb der Grenzlinie ist der "Vater im Inneren"; für den die menschliche Seele der lebendige Ausdruck sein soll. Wer kann sagen, wo die Linie in einer der beiden Richtungen endet? Es ist wie mit den fernen Milchstraßen; wenn wir sie staunend betrachten, schwindelt uns beim Gedanken an die Unermeßlichkeit. Jedoch die gleiche Linie zieht sich jetzt und hier durch unser ganzes Dasein. Eifrig mischen wir Sand und Soda unserer Persönlichkeit, um sie im Schmelzofen unseres Alltaglebens zu einem glänzenden Kristall zu schmelzen, damit sie für das Licht der spirituellen Sonne durchlässig wird.