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Was wirklich zählt...

Es macht mir Spaß und bringt mich gleichzeitig in Verlegenheit, daß so viele Leser offensichtlich denken, ich sei in der Lage, mein Leben durch meine "Gedanken" oder meine "Philosophie" zu lenken und zu beherrschen. Und sie möchten wissen, wie sie gleichermaßen handeln können.

Eine "Lebensphilosophie" ist tatsächlich bedeutungslos, wenn sie nicht die eigenen tiefsten Gefühle und Einstellungen wiedergibt - und dann ist sie unnötig. Einige der schlimmsten Menschen auf der Welt besaßen die edelsten Philosophien, die in die Tat umzusetzen sie völlig versagten.

Nicht das zählt, was einer bewußt glaubt; es ist das, was man im Kern des Wesens fühlt. Millionen Menschen nennen sich Christen und glauben jede Einzelheit im Glaubensbekenntnis des Apostels, wobei sie in ihren täglichen Lebensgewohnheiten so weit vom Evangelium entfernt sind, als ob sie nie davon gehört hätten.

Wir können unsere Leben nicht durch solche unbeseelten Dinge wie eine Zusammenstellung von Gedanken oder Philosophien lenken oder beherrschen, sondern nur dadurch, daß wir dem Beispiel eines Menschen folgen. ...

Es ist kein Zufall, daß die beiden bedeutendsten Lehrer der westlichen Welt, Jesus und Sokrates, kein Wort schrieben. Sie lehrten durch Fragestellen, durch Gleichnisse und meistens durch Beispiel. Sie befaßten sich nicht so sehr damit, wie wir denken oder was wir denken, sondern wie wir uns untereinander benehmen.

Nicht der einfachste Gedanke oder irgendein philosophischer Grundsatz ist in der Lage mir zu helfen, wenn ich einer sittlichen Entscheidung gegenüberstehe - denn man kann alle Arten von Begründungen finden, um jede Verhaltensweise zu rechtfertigen. Die von wohlmeinenden Menschen über Jahrhunderte im Namen der "Religion" begangenen Verbrechen sind weit größer gewesen als jene, die von bösen und gottlosen Menschen verübt wurden, wie alle Kirchenhistoriker leider zugeben müssen.

Wir können Stärke und Rechtschaffenheit nur von einem anderen Menschen entnehmen, von jemandem, von dem wir wissen, daß er besser ist, als wir sind, der mehr ist, als was Mensch sein bedeutet. Wenn wir solch einen Menschen finden - und er oder sie kann immer gefunden werden, wenn wir gründlich genug Nachschau halten - müssen wir Ihn als Prüfstein benutzen, um die Wahrheit unseres eigenen Verhaltens zu überprüfen.

Die Wahrheit kann nicht in Ideen, in Institutionen, in Büchern in Philosophien oder Theologien gefunden werden - sondern nur im lebenden Menschen, wie er uns in der Fülle seines lebendigen Wesens gegenüber steht. Wenn Jesus sprach: "Folgt mir", meinte Er damit nicht das Glaubensbekenntnis, sondern die Liebe, das Opfer, das Erdulden. Wieviel leichter ist es, Ihm nur im Gebet zu folgen, nur einmal in der Woche.

 

- Publishers Newspaper Syndicate, 11. Juli 1966

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