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Gespräche am runden Tisch: Über die Schöpfungsgeschichte

Vorsitzender: Wie Sie sehen, nehmen Herr P. und Herr R. heute abend wieder an unserer Zusammenkunft teil. Sie sagten, für sie bestehen einige "Unklarheiten", aber ich machte sie darauf aufmerksam, daß wir nicht versuchen würden jeden Knoten zu lösen, da wir in erster Linie daran interessiert sind, unser Denken anzuregen und zu erweitern, damit jeder von uns für sich selbst nachsinnen und forschen kann. Und wer macht nun den Anfang?

 

F. E. P.: Ich habe eine oder zwei Fragen. Woher kamen die Gottesfunken? Wie wurden sie am Anfang hinausgesandt? Und einmal geschaffen, werden sie für immer und immer fortbestehen? Ich meine, werden sie ewig dauern? Wenn nicht, was ...

Vorsitzender: Einen Augenblick bitte - das sind nun bereits drei oder vier Fragen! Sie versuchen tatsächlich in den eigentlichen Kern des Geheimnisses des Lebens einzudringen, in das Warum und Weshalb des Bewußtseins. Und wer von uns... Ja, Hazel?

 

Hazel: Entschuldigen Sie, wenn ich unterbreche, aber wir mußten in der Schule ein kurzes Gedicht lernen, dessen Anfangszeilen scheinen hier am Platze zu sein:

Wo kamst du her, liebes Kind?

Aus dem Überall in das Hier.

Vorsitzender: Gar nicht schlecht - "aus dem Überall in das Hier"! Wenn wir uns das "Überall" als einen bloßen Versuch vorstellen, das Unendliche, die Grenzenlosigkeit des Raumes (den ersten unserer drei fundamentalen Lehrsätze, wie Sie sich erinnern)1 zu beschreiben, aus dem im Augenblick der Manifestation alle Stufen von "Göttern, Monaden und Atomen" hervorgehen, die das zukünftige Universum aufbauen, dann nähern wir uns tatsächlich einer Antwort auf Ihre Frage: Wo kamen die Gottesfunken her? Doch ich möchte gerne wissen, ob wir wirklich die "geheimnisvollen und wunderbaren Wege" Gottes - der Göttlichen Wesen, ob noch als Saat oder voll erblüht erkennen können?

 

F. E. P.: Kann sein, daß wir sie nicht erkennen können, aber wir sollten über diese Dinge nachdenken.

Vorsitzender: Unbedingt, aber wir wollen nicht eine Idee voreilig kristallisieren, ganz gleich woher sie kommt, bis sie eine Glocke im Inneren anschlägt, denn die Wahrheit ist nicht etwas, das wir jemals von anderen lernen... Darf ich Sie fragen: was verstehen Sie unter Schöpfung?

 

F. E. P.: Nun, ich habe in meinem Denken bereits eine Menge Stufen durchlaufen. Ich wurde in einem bestimmten Glauben erzogen, war aber nicht zufrieden und prüfte andere, so daß man sagen könnte, ich sei ein Interkonfessioneller. Aber nun, mit dieser umfassenderen Vorstellung von einer langen Pilgerschaft, die die Lebenshoffnung des Menschen wenigstens hypothetisch so sehr verlängert, finde ich, daß sich meine Anschauungen festigen.

Dan: Lebenshoffnung - das ist großartig! Es ist gut, daß die Versicherungsgesellschaften nicht mehr als ein Leben als Grundlage für ihre statistischen Tabellen haben!

Vorsitzender: Ich will meine Frage anders stellen: welchen Eindruck haben Sie, wie der durchschnittliche Laie die Schöpfung versteht? Möchte noch jemand seine Meinung äußern?

 

Fred: Genau wie es in der Genesis steht, daß Gott den Himmel und die Erde aus dem Nichts geschaffen hat: das heißt, daß er durch einen Akt göttlicher Macht die Welt und alle ihre Bewohner aus der Leere hervorbrachte; er schuf das Licht und dann die Finsternis, die Sonne, den Mond und die Sterne, alle die Tiere, die Fische und die Vögel, und zuletzt machte er den Menschen nach seinem Ebenbilde.

A. R.: Mann und Frau; "männlich und weiblich schuf er sie", und alles in sechs Tagen, und am siebenten ruhte er dann.

F. E. P.: Jawohl, aber nur die engstirnigsten Sekten glauben heute an diese "sechs Tage" Arbeit; schließlich können Sie die geologischen Tatsachen nicht bestreiten.

A. R.: Das nicht, aber diese können den Tatsachen der Evolution widerstreiten und widerstreiten ihnen. Die Ergebnisse des berühmten Streites zwischen den Fundamentalisten und Modernisten in den zwanziger Jahren (Affenprozeß in Dayton 1925. Übersetzer) sind keineswegs tot. Wenigstens wollen gewisse Schulen in manchen Teilen unseres Landes nicht erlauben, daß die Darwinschen Theorien gelehrt werden, weil sie "gegen die Schrift und gegen das Wort Gottes" sind.

Tom: Ich glaube so wenig wie Sie, daß die Bibel wirklich das "Wort Gottes" ist, aber ich bin auch sehr dagegen, daß unsere Schulen die Kinder als wissenschaftliche Tatsachen lehren, daß unsere Vorfahren Affen waren! Anscheinend brauchen wir auf vielen Gebieten des Denkens revolutionäre Ideen.

Vorsitzender: Wenn der Darwinismus nur als eine Theorie, als eine unbewiesene Hypothese gelehrt würde, wäre nichts einzuwenden; aber die Frucht seiner Forschungen als bewiesene Tatsachen auszugeben ist entschieden zurückzuweisen. Darwins unverdrossenes Forschen hat vielleicht unmittelbarer als irgend etwas anderes zur Ausbreitung der modernen Wissenschaft beigetragen und geholfen, die harte Kruste des religiösen Dogmatismus zu zerbrechen, der sein Jahrhundert kennzeichnete. Dessenungeachtet hat es auf seiner Fährte seinen eigenen lähmenden Dogmatismus zurückgelassen - wir sind vom "Wurm im Staub" zu "übermäßig großen Affen" eingestuft worden, wobei viel zu wenig an die Seele und den Geist des Menschen gedacht wurde.

Auf der anderen Seite ist die Schöpfungsgeschichte der Genesis wörtlich genommen, genau so lähmend. Wir Christen übernahmen in unserem Eifer die Ungläubigen zu bekehren einfach die jüdischen Heiligen Schriften als unsere eigene "neue Verheissung" und begriffen nicht, was die Gelehrten unter den Rabbinern wohl wußten, daß die Torah oder der Pentateuch niemals wörtlich genommen werden sollten. Ihre Fabeln und Allegorien waren für die "Unwissenden", aber hinter den Worten lag eine innere Bedeutung verborgen.

Es ist Zeit, daß wir unseren ererbten und erlernten Glauben einmal aufmerksam und ehrlich betrachten und nicht nur mit den spirituellen Lehrsätzen anderer Völker vergleichen, sondern auch mit den Naturgesetzen, die sich so außergewöhnlich schön und bestimmt in der ganzen "Schöpfung Gottes" kundtun. Daß es eine durch die niederen Reiche aufwärts führende Richtung des Fortschritts gibt, ist klar ersichtlich, aber diese stellt nur eine Seite des ganzen evolutionären Vorwärtsdrängens dar: die Entwicklung der Formen, der Körper, der materiellen Vehikel. Sie ist notwendig, aber von sekundärer Bedeutung, weil keines davon ohne den belebenden Impuls, der jenen Formen Leben verleiht, hätte zustande kommen können.

 

A. R.: Was einige Wissenschaftler die hinter den verschiedenen Formen des Wachstums am Werke befindlichen "intelligenten Kräfte" benannt haben, die sie beobachten.

Vorsitzender: Ganz richtig. Und das ist wissenschaftlich ausgedrückt, was jede Religion immer behauptete, nämlich, daß das göttliche Element - nennen wir es einen Gottesfunken, eine Monade, ein Bewußtseinszentrum, Brahmâ oder Gott, wie wir es nennen ist unwesentlich - hinter allen Manifestationen die bewegende Kraft ist. Die zwei Richtungen des Wachstums nicht zu vergessen, die gleichzeitig bestehen, und über die wir letzthin sprachen: die eine, die durch die Monaden oder Gottesfunken ins Leben gerufene des Geistes, und die in der Überfülle physischer und materieller Vehikel jeder Art und Gattung dargestellte der Materie. Involution und Evolution, die gleichzeitig stattfinden und ...

 

Ellen: Was ist eigentlich unter Involution zu verstehen?

Vorsitzender: Als Wort hat Involution natürlich die entgegengesetzte Bedeutung von Evolution, aber das sagt uns nicht allzuviel. Beide Ausdrücke stammen aus dem Lateinischen: Evolution bedeutet "ausrollen" dessen, was innen ist und Involution bedeutet "einrollen" dessen, was außen ist. Doch auf die Reise der Familien von Monaden oder Gottesfunken angewandt, haben sie eine recht unterschiedliche Bedeutung angenommen, die wir schon streiften,2 die ich aber nun ein wenig ausführlicher zu erklären versuchen will:

Während der großen Periode der Manifestation gehen beide Prozesse vor sich: die Involution oder das "Einrollen" des Geistes, das heißt das immer tiefere Eintauchen des Gottesfunken in die materiellen Welten, und die Evolution oder das "Ausrollen" der Materie, das heißt das Entwickeln der Körper, der Formen, damit die Gottesfunken immer geeignetere Vehikel bekommen, in denen sie sich zum Ausdruck bringen. Kurz, bei dem abwärts führenden Zyklus liegt die Betonung auf der Erzeugung der Körper, so daß wir die Evolution der Materie und die Involution des Geistes haben. Auf dem aufwärts führenden Bogen findet der umgekehrte Vorgang statt, eine Wieder-entwicklung des Geistes und die Involution der Materie, was bedeutet, daß die Betonung nun auf dem immer vollständigeren Ausdruck des spirituellen Wirkungsvermögens und auf dem sich dabei ergebenden "Einrollen", auf der Involution oder Verfeinerung der materiellen Formen liegt.

 

Jack: Theoretisch erscheint das klar genug, aber ich vermute, solange wir nicht selbst die ganze Reise wirklich erleben, werden wir nicht imstande sein, zu verstehen, was das alles einschließt.

Tom: Wir haben wenigstens begonnen den Bogen wieder empor zu steigen. Was unsere rassische Entwicklung betrifft, tauchen wir nicht mehr immer tiefer in die Materie, weil wir den niedersten Punkt bereits überschritten haben, nicht wahr?

Vorsitzender: So verstehe ich es; und wir können wirklich sehr dankbar sein, denn das bedeutet, daß die Betonung von nun an immer weniger auf materiellen Dingen und in zunehmendem Maße auf den Eigenschaften unseres Gemütes und unseres Geistes liegen wird.

 

F. E. P.: Wollen Sie sagen, die Gottesfunken sind mehr ein Produkt der Evolution als der Schöpfung?

Vorsitzender: Emanation, Evolution, Schöpfung - verschiedene Ausdrücke für verschiedene Phasen desselben Mysteriums des Bewußtseins, das Erfahrung zu gewinnen sucht: das Grenzenlose, das unzählige Aspekte von sich selbst manifestiert, das Eine, das zu den Vielen wird. Ja, wenn wir damit das Produkt oder die Ernte desselben kosmischen Impulses meinen, der vom Augenblick der Manifestation, in dem die Samen des Lebens aus der Dunkelheit der Leere in das Licht eines geordneten Kosmos durchbrachen, die ganze Ewigkeit hindurch erzitterte, könnten wir sagen, die Gottesfunken sind ein Produkt der Evolution.

 

F. E. P.: Wenn das der Fall ist, dann hatten die Gottesfunken im Augenblick der "Schöpfung" einen Anfang; aber wie steht es mit ihrem Ende? Werden sie für immer fortbestehen oder wird ihr Leben am jüngsten Tag enden?

Vorsitzender: In dem anfanglosen und endlosen Buch des Lebens wird nur ein Kapitel beendet werden. Sir Edwin Arnold drückt das poetisch so aus: "Nie ward der Geist geboren; der Geist wird nie zu sein aufhören." Für das Unendliche, für JENES, für den grenzenlosen Raum kann es keinen Anfang und kein Ende geben. Aber für alle die Heere von "Göttern, Monaden und Atomen" wird es unzählige Male einen Anfang und ein Ende, einen Beginn und ein Aufhören, ein Öffnen und Schließen, eine Geburt und einen Tod geben. In der Vorstellung der Hindus wird dieses rhythmische Pulsieren der Lebenskraft der Große Atem genannt. Wenn der Schöpfer oder Brahmâ "ausatmet", wird das "Weltenei" hervorgebracht, und wir haben einen Tag im göttlichen Leben Brahmâs; nach so vielen Tausenden oder Millionen von Jahren "atmet" er "ein", und wir haben eine Nacht, in der das Universum und alle seine Familien von Wesenheiten wieder einmal in ihre Ruhe eingehen.

 

Dan: Wieder ist ein Involutions- und Evolutionszyklus vorüber.

Vorsitzender: Im Prinzip dieselbe Vorstellung - auf Perioden der Aktivität folgen Perioden der Ruhe und des Friedens. Diese Idee ist nicht ausschließliches Eigentum der Hindus. Findet sich nicht im Alten Testament, ich glaube im Jesaia, ein Hinweis auf die kommende Auflösung aller Dinge, bei der die "Himmel wie eine Rolle zusammengerollt werden?"

 

Paul: Ja, und in der Offenbarung finden wir fast den gleichen Ausdruck. Die Frage, die mich bewegt, ist, wie und wo passen wir in das Bild?

F. E. P.: Das beschäftigt auch mich. Ich kann mir vorstellen, daß sich am Jüngsten Tag etwas ereignen könnte - wenn man die Zeit weit über unser Vorstellungsvermögen hinaus dehnt, wie es die Hindus taten, und am Schlusse von Millionen von Jahren eintreten läßt, wenn Himmel und Erde "wie eine Rolle wieder zusammengerollt" werden könnten. Doch ich interessiere mich offen gesagt mehr für uns selbst, hier und jetzt. Wir wissen, daß wir eines Tages alle sterben werden, sagen wir am besten so um die achtzig. Aber wie steht es mit unserer Seele, jenem Teil von uns, der uns wünschen läßt, diese Dinge zu wissen und das sichere Gefühl haben möchte, daß dem Dasein ein göttlicher Plan zu Grunde liegt und dieses Dasein nicht nur ein Lotteriespiel ist. Nachdem ich angefangen habe, die Reinkarnation ernstlich in Erwägung zu ziehen, scheint mir, daß unsere Seele dauerhaft genug sein müßte, um mehrere Todesperioden zu überdauern.

Vorsitzender: Was verstehen Sie unter Ihrer Seele? Glauben Sie, daß sie der Gott in Ihnen ist?

 

F. E. P.: Oder der Gottesfunke? Ich weiß es nicht. Ich habe eben das Gefühl, daß in mir etwas ist, das nicht sterben wird, wenn mein Körper stirbt, aber ich bin mir noch nicht klar, was es ist oder wie es seine vielen Zyklen der Geburt und des Todes überdauert, wenn es hofft, die lange Pilgerschaft zu machen, über die wir sprachen.

Jack: Paulus spricht vom Menschen als dreiteilig, Körper, Seele und Geist. Das würde voraussetzen, daß die Seele und der Geist verschieden sind, aber ich glaube, sehr viele religiöse Sachverständige weichen dieser Frage lieber aus.

Vorsitzender: Das stimmt, obgleich Paulus es nicht genau so ausdrückt. Sie erinnern sich wahrscheinlich der Stelle, sie steht im 1. Brief an die Korinther ..., ja, sie ist im Kapitel XV:

Gibt es einen natürlichen Leib, so gibt es auch einen geistlichen Leib. Wie geschrieben steht: Der erste Mensch, Adam, "ward zu einer lebendigen Seele", und der letzte Adam zum Geist, der da lebendig macht. - 44-45

Das griechische Wort für das hier gebrauchte "natürlich" ist "psychisch", was für Paulus einfach einen Körper für die "Psyche oder für die Seele" bedeutete.

 

Hazel: Wenn wir uns daran erinnern, daß die Psyche in der griechischen Mythologie nach ihrer Vereinigung mit Cupido eine Göttin wurde, scheint sie das vollkommene Symbol für unsere Seele zu sein, welche in hohem Maße eine Mischung des Sterblichen und des Unsterblichen darstellt.

Vorsitzender: Vielen Dank, Hazel. Das ist sehr hilfreich. Wir wollen einige Verse zurückgehen, wo Paulus über die Auferstehung der Toten beim Jüngsten Gericht spricht:

Wie werden die Toten auferstehn und mit welcherlei Leibe werden sie kommen?

Du Narr: was du säest, wird nicht lebendig, es sterbe denn.

Und was du säest, ist ja nicht der Leib, der werden soll, sondern ein bloßes Korn, etwa Weizen oder der anderen eines.

Gott aber gibt ihm einen Leib, wie er will, und einem jeglichen von den Samen seinen eigenen Leib. - 35-38

 

Dan: Das ist ein schrecklicher Gedanke - "jedem Samen seinen eigenen Körper." Daher kommt es, daß wir alle verschieden sind, warum jedes Menschenwesen in einem gewissen Sinne einzigartig ist, wenn wir uns unser allereigenstes Selbst als den "Samen" vorstellen.

Vorsitzender: Das ist es, was der Hinduismus mit der Lehre von Swabhâva meint, die dem Samen oder dem monadischen Leben innewohnende Macht, "es selbst zu werden", das heißt, seine eigenen essentiellen charakteristischen Kennzeichen durch den Prozeß der Emanation oder Evolution zu entfalten. Jenes Samenbewußtsein nannten sie das "Selbst" oder Âtman. Doch wir haben jetzt nicht die Zeit, uns mit all den Verzweigungen dieses Gedankens zu befassen, wenn es auch später von Nutzen sein mag, uns mit der siebenfachen Natur des Menschen zu beschäftigen, wie sie von vielen alten Völkern gelehrt wurde.

Um zu Paulus zurückzukehren:

Nicht ist alles Fleisch einerlei Fleisch; sondern ein anderes Fleisch ist der Menschen, ein anderes des Viehes, ein anderes der Fische, ein anderes der Vögel. - 39

Offensichtlich ist hier nicht so sehr auf das Fleisch Bezug genommen, wie wir es kennen, sondern auf die Tatsache, daß jedes Reich oder jede Gruppe seine oder ihre besondere Art Vehikel erzeugt oder entwickelt, um seine oder ihre essentielle Natur darin zu offenbaren. Paulus sagt dann, daß es himmlische und irdische Körper gibt, aber der "Glanz des himmlischen" ist verschieden vom "Glanz des irdischen", und er spricht vom "Glanz" der Sonne, von einem anderen des Mondes, von einem weiteren der Sterne, und daß sich sogar ein Stern vom andern unterscheidet. Ich möchte gerne wissen, welches das griechische Wort für "Glanz" ist? Das könnte uns einen Schlüssel liefern. Frank, möchten Sie das griechisch-englische Neue Testament hernehmen, das eine wörtliche Übersetzung gibt, und nachsehen, wie "Glanz" übersetzt wurde?

 

Frank: Von dem Wort doxa, und in dem Wörterverzeichnis am Schluß heißt es, es kommt von dokeo, "denken, sich vorstellen" und zu den Zeiten, als das Neue Testament geschrieben wurde, "verherrlichen, verklären." Nebenbei gesagt, Dogma ist ebenfalls von dokeo abgeleitet und bedeutete ursprünglich eines Menschen Meinung oder Gedanken über etwas und ganz und gar keine bindende Vorschrift!

Vorsitzender: Sie sehen, wohin dies zeigt? Statt doxa mit "Glanz" zu übersetzen, wollen wir sagen "Denken" oder "Intelligenz", was ganz in Ordnung ist und uns in dem vorliegenden Zusammenhang in der Vorstellung direkt auf die kosmische Göttliche Intelligenz hinführt, die die Quelle und der Ursprung von allem ist. Der Text würde dann wie folgt lauten:

Eine andere Intelligenz (Glanz) hat die Sonne, eine andere Intelligenz hat der Mond, und eine andere Intelligenz haben die Sterne: denn ein Stern übertrifft den andern an Intelligenz. - XV, 41

Paulus kehrt dann zu dem Thema der Auferstehung zurück, und betrachten Sie jetzt die folgende Stelle im Lichte all dessen, worüber wir heute Abend gesprochen haben:

Also auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät verweslich, und wird auferstehen unverweslich.

Es wird gesät in Unehre, und wird auferstehen in Herrlichkeit (Intelligenz): es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft.

Es wird gesät ein natürlicher (psychischer oder Seelen-) Leib. Gibt es einen natürlichen (psychischen) Leib, so gibt es auch einen geistlichen Leib.

Wie geschrieben steht: Der erste Mensch, Adam, "ward zu einer lebendigen Seele", und der letzte Adam zum Geist, der da lebendig macht. - XV, 42-45

Hier haben wir eine klare Bezugnahme auf die Genesis, in der auf verschiedene Adame hingewiesen wird. Im ersten Kapitel formt Gott (in Wirklichkeit formen die Elohim oder Götter) den Menschen nach seinem eigenen Bilde, noch androgyn; im zweiten Kapitel atmet er Adam den "Atem des Lebens" ein und macht ihn zu einer "lebendigen Seele", während wir im dritten Kapitel nach der Trennung in Frau und Mann (aus seiner "Seite", nicht aus seiner Rippe) finden, daß Adam und Eva eine dritte Stufe im Wachstum unserer Rasse darstellen. Wir wissen alle, was sich dann ereignete: wir finden, daß die Menschheit durch die Intervention der Schlange, die ein Symbol der Weisheit (Luzifer, der "Lichtbringer") ist, selbstbewußt, zu denkenden und intelligenten Wesenheiten, zu "belebenden Geistern" wird, die notgedrungen aus dem Garten Eden vertrieben werden mußten, weil sie über die unschuldigen Vergnügungen der Kindheit hinausgewachsen waren.

Paulus fährt dann fort:

Siehe ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden;

und dasselbe plötzlich in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune schallen und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden.

Denn dies Verwesliche muß anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muß anziehen die Unsterblichkeit. - XV, 51-53

Wenn sich das alles ereignet, wird der Ausspruch "Der Tod ist verschlungen in den Sieg" Geltung haben.

 

Paul: Ich erinnere mich der darauffolgenden Worte, "Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?", und er sagt uns, daß Gott uns den Sieg durch Christus geben wird, so wir in unserem Glauben standhaft sein werden.

Vorsitzender: Das stimmt nicht ganz, denn Paulus sagt nicht "in unserem Glauben." Ohne Zweifel hatte er das im Sinne, aber seine tatsächliche Aussage ist mehr allgemein, besonders wenn wir Herr so auslegen, daß es unser Höheres Selbst oder den Vater im Innern bedeutet:

Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unbeweglich, und nehmet zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisset, daß eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn. - XV, 58

Dieses Kapitel enthält vieles, das den Stempel der Bekanntschaft mit den Lehren der Mysterienschule trägt, die selbst zu jener späten Zeit von den Völkern um das Mittelmeer noch verehrt wurden. Sicherlich hatte Paulus nach seiner Bekehrung auf der Straße nach Damaskus etwas von dem "Mysterium der Mysterien" erfaßt und sprach mit der Überzeugung dessen, der, nachdem er "gesehen hatte, glaubte." Sie können sehen, wie das alles zu der großen Pilgerschaft paßt, über die wir gesprochen haben, denn die göttlichen "Samen" oder Gottesfunken wurden beim Hervorbrechen aus der Finsternis in das Licht wirklich "im Verweslichen gesät." Vorausgesetzt, wir begreifen, daß das "Verwesliche" nicht "Sünde" bedeutet, sondern das, was "von der Erde, irdisch" ist, - Materie, materielle Erfahrung, die an sich unpersönlich, neutral, ist und nur durch das "Denken" des sich entwickelnden Menschen zuweilen "sündhaft" wird.

Dann, nachdem der lange "Zyklus der Notwendigkeit" durchlaufen ist und alle Familien oder Lebenswogen von Gottesfunken die sieben großen Runden oder Spiralen des Wachstums vollendet haben, "zeigt uns" Paulus "ein Geheimnis." Er sagt uns, der Jüngste Tag, die Endabrechnung oder der Ausgleich im Hauptbuch des Lebens ist gekommen, und wir werden alle "plötzlich verwandelt werden." Die einst in die Materie, "im Verweslichen gesäten" Gottesfunken, die jetzt selbstbewußt ihre Göttlichkeit erkennen, werden "ins Unverwesliche erhoben"; das Sterbliche wird unsterblich, das Schwache wird Ehre und Stärke kennen lernen.

Ja, es gibt für unsere christlichen Heiligen Schriften und für die Bibeln anderer Völker viele Parallelen und Wege der Auslegung. Jede von ihnen ist in symbolischer Sprache geschrieben, nicht in dem Versuch zu verwirren, sondern um einen neuen Einblick in die Zeitalter alte Weisheitslehre zu geben. Auf diese Weise wird die Wahrheit bewahrt, und die spirituelle Geschichte des Menschen bleibt ein offenes Buch für jene, die es zu lesen verstehen.

Nun, wir unterhalten uns jetzt schon über zwei Stunden, und ich schlage vor, wir schließen.

Fußnoten

1. Siehe Interview mit dem Herausgeber, Sunrise-Artikelserie Heft 3, 1963. [back]

2. Siehe Gespräche am runden Tisch, Sunrise-Artikelserie, Heft 4/1963. [back]