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Wer bin ich, woher komme ich?

Die Stockholmer Zeitung Svenska Dagbladet brachte unter der Überschrift "Nach diesem Leben" eine Artikelserie von führenden Denkern. In der Ausgabe vom 28. Januar 1968 untersucht Dr. Duvernoy1, Chefarzt am Löwenström-Krankenhaus von Väsby in Upland, Schweden, die Frage nach dem Ursprung des Menschen.

 

 

 

Nach so vielen Spekulationen über "Nach diesem Leben" beginnt man sich wirklich zu wundern, womit und mit wem wir uns in dieser Debatte befassen. Nach meiner Meinung handelt es sich um uns selbst, um das Suchen und Sehnen des Menschen, der am Brennpunkt der Frage steht: Wer bin ich, woher komme ich, was ist unser Leben?

Wenn wir, wie es in der Bibel heißt, nach dem Bilde Gottes geschaffen sind, dann sollten wir Ihn und Seine Offenbarung unmittelbar unter uns finden. Das wollen wir untersuchen:

Das Leben, was ist es und woher kommt es? Wir selbst sind lebendig, und sprühendes Leben ist überall um uns; wohin wir gehen ist Leben, menschliches, tierisches, pflanzliches und bakterielles Leben. Aber das Leben selbst kann man nie sehen. Wir können nur seine Manifestationen, seine Ergebnisse und Wirkungen sehen. Leben ist ein Phänomen unserer Erde, geradeso wie Gravitation und Magnetismus. Wir wissen, daß es einen Magnetismus gibt und wie er wirkt, aber wir wissen nicht, was er ist. Ein lebendiger Organismus besteht zumindest aus einer Zelle. Sobald es mehr Zellen sind, findet eine Verteilung der Arbeit statt. Je größer der Organismus ist, desto differenzierter ist diese Verteilung der Arbeit, die nach einem höheren, intelligenten Plan geschieht.

Jede Zelle enthält einen Kern, und in dem Kern verborgen liegen alle grundlegenden Eigenschaften des Trägers eingebaut, die ihn zu dem machen, was er ist. Hier finden wir in den vielbesprochenen Chromosomen den Faden der Vererbung mit seinem Organisationsplan für den ganzen Organismus. Dieser Plan enthält vier verschiedenen 'Zeichen', die, wie unser Alphabet, in endlosen Gruppierungen zu einer Art 'Kode' zusammengestellt werden, mit charakteristischen Kombinationen für jede Art. Dadurch besitzt die Natur ein Alphabet aus vier Buchstaben - Nukleinsäuren - mit denen sie ihre Struktur aufgebaut hat.

Wie kann so etwas Geniales überhaupt möglich sein? Wir Menschen sind sehr stolz auf unsere neuesten Erfindungen wie den Computer, der ihm einverleibte Daten verarbeitet, der programmiert - ein Wort, das in diesem neugeborenen Computerzeitalter erst in letzter Zeit seine besondere Bedeutung erlangte. Aber dieses, von uns erst jetzt ersonnene Verfahren der rationellsten Arbeitsmethode wird von der Natur schon immer angewendet.

Woher stammt aber die Intelligenz der 'Natur'? Oder ist die Frage falsch gestellt? Woher erhielten wir die Intelligenz, das alles zu erfassen? Von den Chromosomen?

Unser Globus, und überhaupt das ganze Universum, wurden nach einem großartigen Organisationsplan mit verwickelten chemischen und physikalischen Reaktionen aufgebaut. Und plötzlich, sobald es die Atmosphäre erlaubte, war Leben auf der Erde. Wie auffallend in der 'Natur' ist doch der winzige und doch so wesentliche Punkt, daß die größte Dichte des Wassers nicht, wie bei allen anderen Elementen, beim Gefrierpunkt liegt, sondern bei 4 Grad Celsius (39 Grad Fahrenheit)!

Viele Forscher haben jahrhundertelang versucht, diesen Fragen auf den Grund zu kommen. Mit Hilfe sogenannter Modellexperimente wurde gezeigt, daß der Eiweißbaustein, Aminosäure, in der urzeitlichen Atmosphäre entstehen konnte ehe irgendwelches Leben vorhanden war. Bei einem anderen Experiment wurde gefunden, daß Eiweißmoleküle aus sogenannter amorpher, lebendiger Substanz, wie z. B. feingemahlener Leber, erzeugt werden konnten. Die Synthese erfolgt jedoch nur, wenn sogenannte Modell- oder Strukturmoleküle vorhanden sind, d. h. nur nach bestimmten Unterlagen oder Programmierungen.

Wer hat diesen Kode ursprünglich bei der Geburt der Welt geschaffen?

Neuerdings nehmen wir an, daß sich verschiedene Arten von Wesenheiten durch natürliche Auswahl, durch Anpassung und Veränderung der Erbanlagen, entwickelt haben. Das ist die bekannte Darwinsche Theorie. Betrachten wir die Veränderungen der erblichen Anlagen näher, so können wir folgende Beobachtungen machen: Derartige Veränderungen in der Vererbung werden Mutationen genannt. Etwas anderes wissen wir einfach nicht. Aber in der Praxis finden wir, daß die meisten Mutationen die Lebensfähigkeit eines Einzelwesens verringern. Mutation schließt niemals Vervollkommnung ein, bestenfalls kann sie gewisse Eigentümlichkeiten innerhalb der Art selbst verändern, wie die Färbung der Augen bestimmter Fliegen verändert wurde. Bis jetzt war noch niemand in der Lage, eine Veränderung in der Vererbung nachzuweisen, die tiefschürfend genug ist, um einen Organismus bis zu dem Punkt zu verändern, daß er nicht mehr zu seinem Gruppensystem gehört. Noch weniger können wir zwei Arten kreuzen, um eine neue zu erzeugen. Wenn wir zwei nahverwandte Tiere kreuzen (Pferd und Esel), dann bekommen wir zwar Nachkommen, aber sie sind steril.

Konstruiert der Mensch eine Maschine, so berechnet er zuerst das Verhältnis der einzelnen Teile zueinander, die das Ganze in Gang setzen und damit die Maschine einsatzfähig machen. Die Maschine ist nicht lebendig; sie kann sich nicht selbst konstruieren, sich nicht reparieren oder ihren Brennstoff selbst beschaffen. Der sehr komplizierte Apparat der Raumrakete z. B. ist einfach und gerade noch im Bereich der menschlichen Intelligenz, wenn man ihn mit der Kompliziertheit eines lebenden Wesens vergleicht.

In jedem Organismus wird stets eine ganz besondere Ordnung vorherrschen. Endlose chemische Prozesse gehen vor sich. Alle sind Teil eines Planes, der für das Wirken des Ganzen verantwortlich ist. Kompliziert aufgebaute Proteinmoleküle kommen nicht hervor, solange kein Modellmolekül vorhanden ist. Wollte der Mensch im Laboratorium neue Moleküle schaffen, dann müßte der Prozeß der Synthese von einer menschlichen Intelligenz höchsten Grades geleitet werden. Tote Materie kann niemals solche Reaktionen hervorbringen. Treten neue Arten auf, so kann das nie durch Mutation erklärt werden. Und dennoch gibt es Evolution. Wieso kann man vom Menschen behaupten, er stamme vom Affen ab?

Ist der Affe unser 'Modellmolekül'? Wir haben festgestellt, daß Modellmoleküle nicht von Materie hervorgebracht werden können. Es ist die 'Natur', die aus ihrem eigenen Intelligenz-Potential schöpft. Wenn wir von dieser Idee über die Natur überzeugt sind, dann ist nur eine Antwort möglich: Es muß ein höheres Intelligenz-Potential geben, das den Menschen "nach seinem eigenen Bilde" geschaffen hat, ein transzendentes "Am Anfang war das Wort." Dieses Intelligenz-Potential kann mit unseren Sinnen weder gemessen, gesehen, gehört noch gefühlt werden. Aber wir können in alten Büchern, unter anderem in der Bibel, darüber lesen. Wenn wir noch weiter zurückgehen, zu den philosophischen Schriften der alten Ägypter, aus denen die Version des ersten Buches Moses über die Schöpfung entnommen sein kann, dann finden wir:

Das All ist Geist. Aber was ist Geist? Nur ein Wort für etwas, das für den Menschen unbegreifbar, unbeschreibbar, unendlich und unergründlich ist.

Alles hängt davon ab, wie wir die Naturwissenschaft betrachten. Entweder sind unsere Augen auf die überirdische Intelligenz gerichtet - oder davon abgewandt.

Das vergangene Jahrhundert hat uns mit all seinen phantastischen Entdeckungen tiefer und tiefer in die Welt der Materie geführt, so weit, daß wir immer mehr überzeugt waren, daß es außer der Materie nichts gibt. Und da stehen wir heute. Wir können uns keine höhere Intelligenz vorstellen. Dazu kommt noch der Naturwissenschaftler, der sagt: Alles ist relativ. Nichts existiert für sich allein, sondern nur in Relation zu seiner Umwelt. Und die Materie, von der wir so überzeugt waren, daß sie das allein Existierende ist, besteht nur aus Schwingungen.

Unsere Überzeugung von der Macht der Naturwissenschaft und ihren Möglichkeiten und unsere Begeisterung dafür haben uns nicht nur geblendet, sondern im eisernen Griff der Materie gefangengenommen. Und nun bleibt uns allen nur noch der natürliche Wunsch, nicht unterzugehen - ein Wunsch, den wir unter den in der Welt des Materialismus vorherrschenden Bedingungen nicht verstehen können. Gleichzeitig haben wir das Verlangen nach einem Ideal, für das wir uns einsetzen können. Doch dieses Ideal ist in unserer Gesellschaft nicht zu finden! Denken wir nur daran, wie glücklich die jungen Leute wären, wenn wir endlich für sie Ideale schaffen würden, nach denen es sich zu streben lohnte! Da solche Ideale fehlen, 'randalieren' sie und träumen davon, ihre Individualität zu finden.

Da der Mensch seine ideell existierende Gleichheit weder in der Wissenschaft noch in der Religion finden kann, sucht er sie verzweifelt bei einem sexuellen Partner. Das könnte der richtige Weg sein, wenn der eigene Egoismus und die Triebe nicht beide hindern würden, den anderen wirklich zu finden. Zwischen zwei Menschen besteht ein Verlangen, sich miteinander zu identifizieren und in dieser Verschmelzung das Glück zu suchen. Doch das ist unerreichbar. Statt sein oder ihr Ideal zu finden, sieht jeder im andern eine leere Schale ohne Kern und ist enttäuscht.

Da wir nicht untergehen wollen, versuchen wir um jeden Preis am Leben zu bleiben. Wir klammern uns bis zur letzten Sekunde an den Körper. Wir gehen sogar soweit, uns das Herz eines anderen Menschen in die Brust zu nähen, wenn unser eigenes aufhört zu arbeiten. Die Tatsache, daß damit ein anderer Mensch, der Spender, bestimmt ausgelöscht wird, versuchen wir mit Debatten über die Grenzen des Todes moralisch zu rechtfertigen. Wir formulieren einfach neue Definitionen vom Tod. In einem viel schärferen Ton nimmt in Deutschland der Chirurg Werner Forsmann zu dem moralischen Problem der Herzverpflanzung Stellung. Er erhielt im Jahre 1956 den Nobelpreis für Medizin für die erste Einführung eines Katheters in ein Herz, die er 1929 bei sich selbst vorgenommen hatte. (Dies bezieht sich nur auf die Herzverpflanzung. Bei einer Nierenübertragung ist die Sache ganz anders, da der Mensch zwei Nieren hat und der Spender sich selbst entscheiden kann: Er braucht auch nicht wegen der Spende zu sterben.)

Vor etwas mehr als zwanzig Jahren wurde der deutsche Professor Karl Gebhard vom Nürnberger Gericht zum Tode verurteilt, weil er Beine und Glieder von Häftlingen aus den Konzentrationslagern ohne deren Erlaubnis zu Verpflanzungsexperimenten benutzte. Damals wurde das als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit betrachtet.

Unsere Kultur wird zu Extremen in der Zivilisation gedrängt, wobei der Rationalismus das höchste Prinzip ist. Ja, wir rationalisieren sogar unsere Moral, damit sie in unser neues Weltbild paßt. Solange unsere Naturwissenschaft und unsere Religion nicht imstande sind, zusammenzukommen und ihre Differenzen zu überbrücken, können wir kaum hoffen, einen Schlüssel für ein Leben nach dem jetzigen zu finden, das den logisch denkenden, modernen Menschen befriedigen wird.

Fußnoten

1. Siehe "Der Tod ist ein Anfang, kein Ende" von Dr. W. Duvernoy, Sunrise, deutsche Ausgabe, Heft 9/1968 [back]