Informationen über Theosophie in anderen Sprachen:     ENGLISH    ESPAÑOL    ITALIANO    NEDERLANDS    РУССКИЙ    SVENSKA  

Gespräche am runden Tisch: Aspiration und ihre Reaktion

Frage: Ich interessiere mich sehr für praktische Lebensführung, dafür, die uns bekannten spirituellen Prinzipien zu einem wirklichen Faktor in meinem Denken zu machen. Aber die Erfahrung hat gezeigt, daß das sehr schwierig ist. Es ist mir klar, daß man ruhig sein muß und den höheren Neigungen erlauben sollte, die selbstsüchtigen zu überwinden. Doch zuweilen scheinen verschiedene Einflüsse wirksam zu sein, von denen jeder um die Oberhand kämpft, so daß meine Persönlichkeit zu einer Art Schlachtfeld wird. Ich weiß, daß es nicht weise ist, für die Verbesserung des Selbstes zu heftige Anstrengungen zu machen, sollte nicht trotzdem bewußt eine Anstrengung gemacht werden, um den Einfluß der selbstischen Seite unserer Natur zu überwinden?

Antwort: Sie haben eine einfache Frage gestellt, die Antwort jedoch berührt die gesamten Grundlagen jener alles überdauernden spirituellen Prinzipien, die den Menschen und alles was im Universum ist, ins Dasein riefen. Alle äußeren Umstände unseres jetzigen Lebens sind zum Beispiel nur die Kulmination unserer Gedanken und Handlungen aus längst vergangenen Zeiten. Was hat uns zu dem gemacht, was wir heute sind, mit unseren Schwächen und unserer Stärke, unseren Verzweiflungen und Hoffnungen? Es ist die Summe der Qualitäten unserer Motive, die unsere Handlungen- und vor allen Dingen unsere Gedanken - leiteten, seit wir als erwachende menschliche Seelen bewußt begannen, zwischen Recht und Unrecht, Schwäche und Stärke, zwischen der Selbstsucht und dem Altruismus zu wählen. Daher sind weder die Persönlichkeit noch das höhere Selbst das Schlachtfeld, aber dennoch sind sie die Arena jener inkarnierenden Seele, die diesen menschlichen Körper als Mittler für die Erfahrung benützt, während sie von einem göttlichen Wesen oder dem höheren Selbst überschattet wird.

Wenn wir unserem Bewußtsein die Tatsache einprägen können, daß alles Handeln, oder wenn man will, alles Karma, durch das Motiv gefärbt wird, dann werden wir das Gebot besser verstehen, "laß das Motiv für die Tat in der Handlung selbst liegen und nicht im Resultat". In dem Augenblick, in dem wir unseren Beweggrund das Resultat sein lassen, die Frucht der Handlung, ziehen wir ihn vom Universalen ab und richten ihn auf das Persönliche; wir säen Saaten der Bindung und kümmern uns um bestimmte Resultate, statt jene Resultate der Sorgfalt jenes universalen Gesetzes zu überlassen, das einen gerechten Ausgleich herbeiführt.

Die Resultate an sich sind das Sekundäre. Wachstum kommt nicht durch Resultate. Diese sind statisch,von einem Moment zum andern, weil sie nur Wirkungen bestimmter Handlungen sind. Handeln selbst kann niemals statisch sein. Aller Fortschritt entspringt irgendeiner Art Tätigkeit, sei es mental, psychologisch, physisch oder spirituell. Wenn wir in jede unserer Handlungen die rechte Qualität des Motivs legen können, dann werden wir keine Ursache haben, uns wegen der Früchte unserer Handlungen Sorgen zu machen. Sie werden automatisch von derselben Qualität, wie das ursprüngliche Motiv sein. Deshalb sollten wir den Eingang unserer Gedanken überwachen und unsere Motive prüfen und versuchen, hinsichtlich ihrer Qualitäten klarer zu unterscheiden. Das wiederum wird die Werte, die das Höhere Selbst stärken, anziehen.

 

Frage: Gerade das erscheint so schwierig. Ist das nicht für die meisten von uns eine unmögliche Aufgabe?

Antwort: Der aufwärtsstrebenden Seele ist nichts unmöglich, wenn wir nicht den Glauben an ihre Macht zum Fortschritt verlieren. Aber wenn wir das alles zu ängstlich betrachten und schweren Herzens auf uns selbst und auf unsere Lage blicken, werden wir uns den Weg um so schwerer machen. Wir müssen unsere Verantwortlichkeit, aber nicht uns selbst ernst nehmen, denn ein gut Teil Humor für unsere eigenen Schwächen, ist eines der wesentlichen Dinge für den Fortschritt. Es wird von niemandem erwartet, daß er die Höhen über Nacht erklimmt, oder alle Heldentaten eines Herkules in einem Leben vollbringt. Je mehr wir anfangen, bewußt in derselben Richtung zu wirken, in der unser Höheres Selbst wirkt, desto näher werden wir unserem Ziele kommen und desto mehr Hilfe werden wir auf dem "engen und schmalen Pfad" bekommen, den jeder gehen muß, der einmal Meister des winzigen Selbstes werden möchte. Es erfordert Kraft und Stärke des Vorsatzes, aber vielleicht erfordert es noch mehr Geduld mit uns selbst und mit anderen und eine unendliche Geduld gegnüber dem Großen Gesetz.

 

Frage: Ich trage immer das Gefühl mit mir herum, daß ich nicht meinem Wollen entsprechend handle. Nicht, daß ich mich tatsächlich nicht genügend bemühe, sondern ich genüge mir nicht. Dadurch bin ich mir selbst und anderen gegenüber sehr unduldsam. Etwas drängt mich immer vorwärts, aber anscheinend weiß ich nicht, wie ich mich dabei verhalten soll. Wie kann ich mit diesem versteckten Drängen fertig werden?

Antwort: Das ist weder unnatürlich noch ein Nachteil, wenn man es vom Standpunkt der aufeinanderfolgenden Stufen des Fortschritts betrachtet, die jeder aufrichtige Mensch passieren muß. Wie hartnäckig Ihr Höheres Selbst auch sein mag, es ist doch die Geduld selbst und schreibt der Seele keine Zeit vor, in der sie ihre Rolle im größeren Drama des Lebens erkennen muß. Sie können glücklich sein, daß Sie dieses Drängen in sanfter oder ungestümer Weise fühlen; und es braucht keine Last zu sein, wenn Sie daran denken, daß der im Herzen Ihres Wesens verkörperte Funke göttlicher Intelligenz nie den Versuch aufgeben wird, Sie zu erleuchten. Denn solange wir als Menschen nicht bewußt dieser Tatsache entsprechend arbeiten, werden wir uns unnötigerweise mit Zweifeln wegen unserer Stärke quälen und unsere Energien an äußere Interessen vergeuden.

Wir haben alle eine Vorstellung von dem vor uns liegenden Ziel, und je ausgedehnter diese Vorstellung ist, desto umfassender wird das Ziel. Unsere Probleme entstehen, wenn wir versuchen, unser Ziel mit einem großen Sprung zu erreichen. Das ist unmöglich und wenn wir es versuchen, ziehen wir unnötige Hindernisse an. Wir fühlen uns dann schrecklich einsam, als seien wir verlassen, während wir in Wirklichkeit ganz und gar nicht allein sind. Gleich uns wandern zahllose andere demselben Ziele entgegen und jeder strebt auf seine Weise, "das Niedere durch das Höhere zu erheben". Wenn wir dabei auch nicht immer erfolgreich sind, so können wir uns doch vertrauensvoll auf die Gerechtigkeit und das Mitleid des Gesetzes verlassen und wissen, daß jeder von uns jederzeit den Forderungen des Augenblickes gerecht werden kann.

 

Frage: Als ich begann mich mit den Ideen der Wiedergeburt und über Karma zu beschäftigen, wurde alles klar und das Leben wurde verhältnismäßig leicht. Wenigstens dachte ich so. Aber dann begannen allerlei Konflikte zu entstehen.... Worüber lachen Sie?

Antwort: Nicht über Sie, sondern mit Ihnen. In Wirklichkeit über mein Ebenbild, und weil ich vollkommen verstehe, was Sie meinen. Wenn wir anfangen diese wunderbaren Ideen aufzunehmen und die Schönheit des Musters begreifen, das das Göttliche webt, wenn es die menschliche Seele zur Inkarnation bringt und wieder herausnimmt, dann betreten wir den Pfad mit ungeheurer Freude, bis dann plötzlich die ganze Hölle loszubrechen scheint. Die Umstände scheinen uns zu verspotten wegen unseres anscheinend blinden Vertrauens, das wir in jene Dinge haben, wonach unser wirkliches Selbst verlangt. Erst später merken wir, wie schwer sie auszuüben sind. Einem Teil von uns ist die Erkenntnis unserer größeren Verantwortlichkeit willkommen - nicht nur den äußeren Dingen gegenüber, sondern auch gegenüber dem Höheren Selbst. Die Persönlichkeit jedoch lehnt sich weiterhin dagegen auf. Aber das innere Selbst ist immer auf dem Posten, und eines Tages öffnen wir die Augen und erkennen, daß wir unserem höheren Selbst geholfen haben, uns wie die Spinne und die Fliege in das Gewebe unseres wahren Schicksals einzuspinnen. Da stehen wir nun und sind bewußt und vorsätzlich der Gnade unserer höheren Neigungen ausgeliefert und kommen nicht mehr davon los. - Aber wie seltsam, einer Gnade, die je nachdem, wie wir uns der Verstrickung gegenüber verhalten, abgemildert wird. Wenn wir absichtlich versuchen, den Einfluß dieser Neigungen zu vermeiden, werden wir hoffnungslos in das Netz unserer eigenen Begierden verwickelt. Wenn wir aber nur ein wenig von dem Muster sehen, das dieser göttliche Impuls hervorbringt, werden wir willige Helfer beim Weben des größeren Entwurfes.

Deshalb sollten wir auf gar keinen Fall versuchen, die Prozesse der Natur zu beschleunigen. Der Pfad spirituellen Wachstums wird nicht mit Abzeichen oder Diplomen ausgezeichnet und selbst die bloße Annahme und Erkenntnis der Gültigkeit des Prinzips Universaler Bruderschaft ist eine Aufforderung an sich, die Reaktionen und entsprechende Gelegenheiten hervorrufen wird, um die Aufrichtigkeit unserer Überzeugungen zu beweisen.

Niemand kann das spirituelle Leben eines andern dirigieren oder leiten. Wenn ich zum Beispiel in meinem Eifer das, was ich als heilige Wahrheit betrachte, weitergeben und damit einen andern ermutigen würde, sich auf dem Pfad des Wachstums zu schnell vorwärts zu bewegen, wäre das falsch. Der Seele eines jeden Aspiranten muß zugestanden werden, sich natürlich zu entfalten, so wie die Blütenblätter einer Rose. Die Entfaltung darf nicht in einem Treibhaus des Übereifers erzwungen werden. Karma wird für das Wachstum eines jeden die passende Gelegenheit bereit halten. Aber in dem Augenblick, in dem Sie oder ich unseren natürlichen Boden unter den Füssen verlieren, in dem Augenblick würde Verwirrung eintreten, weil wir, bildlich gesprochen, in der Luft hängen würden, ohne Kontakt mit dem Fundament unserer eigenen inneren Stärke.

 

Frage: Ich möchte gern eine Frage stellen, die in eine etwas andere Richtung führt, als die Bemerkung, die Henry machte. Bei den allgemeinen Erfahrungen des Lebens ist die erste Reaktion, die man hat, oft ganz persönlich und selbstisch; aber beim Nachdenken begreift man, daß man eine Situation viel besser beherrscht hätte, wenn man sie unpersönlich genommen hätte. Deshalb sagt man sich: "Ich will versuchen, in unpersönlicher Weise zu reagieren und alle diese Schwierigkeiten betrachten, als hätten sie nur den Anschein eines Unrechtes, das mir geschehen ist." Nun, ich habe gefunden, daß es mir möglich ist, diese Haltung mir nach dem Geschehenen einzureden. Aber die Konflikte gehen weiter mit der Tendenz, immer und immer wieder in dasselbe Geleise zu geraten, wie unterschiedlich die Umstände auch jedesmal sein mögen. Deshalb ist die Frage, wie ich mich von meinem persönlichen Willen und meinen Wünschen frei machen kann, die mich, wie es scheint, beständig in Schwierigkeiten bringen, trotz wirklich aufrichtiger Anstrengung.

Antwort: Hierin sind zwei oder drei verschiedene Faktoren enthalten. Es ist nichts Schlimmes, Wünsche zu haben, und man muß tatsächlich auch einen persönlichen Willen haben, damit er das Instrument zur Ausführung der Aufträge des spirituellen oder höheren Willens sein kann. Aber er muß der Diener und nicht der Herr sein. Die Probleme stellen sich ein, wenn wir unseren Wünschen erlauben, über unsere Bedürfnisse hinauszuwachsen. Der Wunsch an sich ist nichts Übles; ohne Wunsch könnte nichts wachsen, würde nichts leben. Nicht einmal ein Universum oder irgend etwas in ihm würde ohne den zwingenden Drang und Wunsch des Gottesfunken im Innern, sich zu entwickeln und zu einer größeren Erfahrung zu entfalten, ins Dasein treten.

Der zweite Faktor ist, daß auf dieser Stufe unserer Evolution selten jemand tatsächlich immer und sofort jede Situation im Lichte des Höheren Selbstes sehen kann. In den meisten Fällen lernen wir bei jeder Erfahrung eher nachdem etwas geschehen ist, als vorher. Aber die Haltung ist es, die wir während und nach einer solchen Erfahrung einnehmen, die uns helfen wird, den Kanal für das Bewußtsein zu formen, den wir bei jedem weiteren Ereignis benützen. Deshalb wollen wir versuchen zu vermeiden, daß jedwede Idee scharfen Konfliktes in unser Bewußtsein eintritt. In dem Augenblick, in dem ein Konflikt da ist, ist Opposition vorhanden und sobald opponierende Kräfte da sind, gibt es größere Hindernisse zu überwinden. Konflikte als unvermeidlich hinzunehmen, wird nur Verwirrung in Ihre Überlegungen vor allem über das Geschehnis bringen, von dem sie merkten, daß es dem Maße Ihrer Bewertung nicht gerecht wird.

Daher sage ich auf Grund meiner kurzen Erfahrung, daß wir versuchen müssen, jedem Ereignis so wie es eintritt gewachsen zu sein, und uns nicht um die Wirkung zu kümmern. Aber dann sollte Ihr Überdenken nach dem Geschehen ein ruhiges Überlegen der Qualitäten und Motive sein, die das Ereignis zustande brachten - kein konzentriertes Erforschen jedes Gesichtswinkels davon, sondern ein ruhiges zwangloses Gespräch ohne Konflikte, oder vielmehr ein Gedankenaustausch zwischen Ihnen und Ihrem Höheren Selbst. Dann werden Ihre Überlegungen in natürlicher und spontaner Weise genau das anziehen, was Ihnen hilft, Ihr eigenes Verständnis abzurunden. Wahres Nachdenken ist nichts anderes, als ein Gefühlsaustausch zwischen Ihnen und Ihrem Höheren Selbst.

 

Frage: Aber besteht nicht ein immerwährender Konflikt zwischen unseren persönlichen Wünschen und dem, was wir innerlich als recht erkennen?

Antwort: Das menschliche Ego sollte immer den Wunsch haben, lieber den aus dem Höheren als den aus dem Niederen kommenden Einflüssen den Vorrang zu geben. Alles ist paradox und wenn es auch stimmt, daß der Konflikt in dem Augenblick aufhören wird, in dem wir uns nach der einen oder anderen Richtung entscheiden, bleibt doch eine immerwährende Neigung zum Konflikt bestehen. Wir können ihn fördern, oder nicht. Wenn keine Unschlüssigkeit besteht, kann es keinen Konflikt geben. Wenn wir also merken, daß sich ein Konflikt in unserem Bewußtsein anbahnt, so wissen wir, daß wir in unserer Entscheidung schwanken. Der Sachverhalt ist der, daß wir, indem wir den Weg des Niederen wählen, die Wirkungen des Konfliktes oft aufhalten können, aber das ist...

 

Frage: Nicht immer.

Antwort: Den Göttern sei Dank, nicht immer! Und das gilt besonders, wenn wir, wenn auch nur in geringem Maße, mit unserem wirklichen Selbst einmal bekannt wurden, denn dieses wird nie mehr von seinem warnenden Einfluß ablassen. Solange man sich nicht entschieden hat, ob man dem Willen des Höheren folgen, oder den Launen des Niederen nachgeben will, ist daher ein bestimmtes Maß an Konflikt unvermeidlich. Das hängt alles eng mit den Geburtswehen als Teil der durch heftiges Bemühen der Seele verursachten Schmerzen zusammen, die deshalb mehr zum Vorschein kommen, weil sie mit selbstlosem Motiv bewußt den Weg der Wahrheit sucht. Das gilt auf jeder Ebene des Bewußtseins, vom tierischen Teil des Menschen bis hinauf zum Höheren Selbst, das eine Erweiterung in der Erkenntnis sucht. Selbst bei der physischen Geburt gibt es Konflikt und Schmerz, einen Konflikt zwischen dem Element der Natur, das das Kind zurückhalten möchte, geboren zu werden, und dem der Seele jenes Kindes innewohnenden Drang, in die ausgedehntere Sphäre der Erfahrung und des Wachstums einzutreten.

 

Frage: Wie können Sie die Tatsache erklären, daß, je mehr man sich bemüht, desto schwieriger alles wird? Es kommt dem Entschluß gleich nicht mehr zu rauchen oder zu trinken. oder irgend etwas anderes, das zu einer festen Gewohnheit geworden ist, zu unterlassen. Man wird finden, daß alle Teufel der Hölle versuchen, einen von dieser Entscheidung abzubringen. Es ist fast, als ob man vom Fieber geschüttelt würde und alles verkehrt ginge. Wie erklären Sie das?

Antwort: Es gibt einen alten allgemein anerkannten Grundsatz, der lautet: Unseren Anstrengungen entsprechend werden unsere Schwierigkeiten sein. Haben Sie je den Ausdruck Gelöbnisfieber gehört? Nein? Nun das ist ein ausgezeichneter Ausdruck, der genau beschreibt, was Sie zur Sprache gebracht haben: Das Fieber der Reaktion, das jemanden befällt, nachdem er sich versprochen hat, irgendeine Gewohnheit zu überwinden, oder der die erhabene Entscheidung traf, lieber dem Höheren als dem Niederen zu folgen, lieber selbstlos als selbstsüchtig zu sein. Man braucht keinen formellen Eid abzulegen, denn die dem Höheren Selbst gegenüber abgelegten stillen Gelübde sind, wenn auch im geheimen abgelegt, trotzdem bindend. Sobald irgend ein Mensch solch ein Gelübde ablegt, sagt das Leben: Beweise deine Aufrichtigkeit. Beweise die Wahrhaftigkeit deines Wunsches. Je stärker das Sehnen nach Verbesserung ist, desto dynamischer gestalten wir den Widerstand gegen das Aufgeben eines alten und eingewurzelten Gefühls für Werte zugunsten eines neuen. Es wird tatsächlich eine Art Fieber hervorgerufen und zuweilen scheint es, als ob eine Lawine von Hindernissen plötzlich über uns hereinbräche, die manchmal einen positiven Einfluß hat und ein andermal einen negativen. Wenn wir der negativen Reaktion nachgeben, beginnen wir, jedermann für das, was schief geht, zu tadeln und wir geraten bald selbst immer tiefer und tiefer in das Durcheinander der Verwirrung. Auf der andern Seite gibt es eine positive Art Fieber, die nicht versucht, diese Reaktionen zu beschleunigen, sondern sie als Gelegenheiten zur Selbstbesiegung erkennt, wenn sie auch manchmal schmerzhaft sind - wie zum Beispiel jemand zu vergeben, der Ihnen in den Augen der Welt oder in den Augen Ihrer Persönlichkeit wirklich unrecht getan hat. Die positive unpersönliche Haltung wird immer, sowohl dem Menschen, der diese Erfahrung macht als auch jenen helfen, die bewußt oder unbewußt an den Hindernissen, die die Schwierigkeit verursachten, teilhatten, während bei der negativen Art Reaktion die Neigung besteht, den Mitmenschen zu schädigen, statt ihm zu helfen.

Einfach ausgedrückt, das starke Sehnen Ihren Charakter zu verbessern, bringt einen Gegenstrom alter Glaubensbekenntnisse und Gewohnheiten in Bewegung und bringt Ihnen eine gleichstarke Reaktion. Das ist alles, was dabei herauskommt und niemand als Sie selbst ist die Ursache dafür. Wir selbst rufen sie hervor, wenn wir uns entschließen, einen Schritt vorwärts auf der Leiter der spirituellen Entwicklung empor zu tun. Deshalb haben alle Lehrer der Vergangenheit wiederholt gesagt: Versucht es, laßt nicht nach, es zu versuchen, aber versucht es nicht zu heftig. Eile mit Weile, denn wenn wir unsere Fähigkeit, in unserem Wunsch nach spirituellem Wachstum Schritt zu halten, nicht richtig einschätzen, können wir, ohne es zu wissen, mehr über uns bringen, als wir zu bewältigen vorbereitet sind. Wenn unser Motiv nach mehr Wissen von spiritueller Selbstsucht gefärbt ist, können wir eine so intensive Reaktion erhalten, daß wir tatsächlich merken, wie wir eine Zeit lang in der entgegengesetzten Richtung unseres Zieles gehen. Wenn aber das Sehnen, soweit es uns möglich ist, rein ist, dann sollten die sich einstellenden Schwierigkeiten als eine Prüfung der Stärke unseres Entschlusses willkommen geheissen werden.

Das alles ist etwas Schönes, weil es der Weg des Wachstums ist, aber es gibt für diese Reaktion keine besonders geschaffenen Umstände. Es gibt auch nichts, worüber man betrübt sein, oder wovor man sich fürchten sollte. Alles was wir tun müssen ist, nicht zu schnell vorwärts zu stürmen. Karma sagt uns, wie schnell wir vorwärts gehen sollen, wenn wir bestrebt sind, natürlich zu leben und nicht versuchen, uns selbst zu übertreffen.

 

Frage: Ihre Antwort leuchtet mir ein, aber da ist noch ein anderer Gesichtspunkt, der mir seit einiger Zeit zu schaffen macht. Wie kann man Gedanken los werden, von denen man weiß, daß sie falsch sind, vielleicht sogar schrecklich und verderblich?

Antwort: Wenn sich jemand bewußt bemüht, seinen höheren Impulsen entsprechend zu leben, muß er unbedingt sehen, daß er alle möglichen Gedanken hat; und manchmal wirklich schlimme Gedanken. Wie soll ich das anders erklären, als mit dem Ausdruck des karmischen Impulses? Bevor Sie oder ich z. B. tatsächlich den Wunsch hatten, unseren Charakter zu verbessern, oder für Bruderschaft und für die Menschheit zu arbeiten, erkannten wir nicht, daß wir an uns arbeiten mußten. Wir wußten vielleicht nicht einmal, daß wir ein Höheres Selbst hatten, das uns antrieb. Doch als wir uns schließlich über uns selbst klar wurden, wußten wir, daß wir unser Leben produktiv und hilfreich gestalten wollten. Gerade dieses Begreifen und das damit verbundene Streben können so stark gewesen sein, daß sie nicht nur ein Fieber der Reaktion erzeugten, sondern einen ganzen Bergsturz intensivster Erfahrung mit sich bringen, die ganz aus den früher aufgespeicherten Eindrücken kommt, die jetzt versuchen ihre Impulse abzugeben. Diese früheren Eindrücke sind unsere alten Gedanken und Gefühle, unsere alten Gewohnheiten des Bewußtseins, des Körpers und der Seele. Auf diese Weise kommen allerlei Ideen, die durch unser Bewußtsein gehen und von denen manche schön, andere von indifferenter Qualität und manche böse sind und sie werden immer wieder zu uns zurückkehren, bis wir verstanden haben, was sie sind und was wir mit ihnen tun müssen.

 

Frage: Aber was können wir mit den üblen Gedanken tun, wenn sie zurückkommen?

Antwort: Alle Gedanken, die zu uns kommen, sind Gelegenheiten, ob sie böse oder gut sind. Wenn die sogenannten bösen Gedanken erscheinen, dann laufen Sie nicht vor ihnen davon, sondern betrachten Sie sie aufmerksam und versuchen Sie ihnen ein wenig Ihres neuen Sinnes für Werte zu geben - und dann lassen Sie sie weiterziehen.

 

Frage: Aber wie macht man das?

Antwort: Wenn Sie einen Kuchen backen oder das Mittagsmahl kochen, kosten Sie, um festzustellen, ob noch Salz oder Zucker oder Gewürze fehlen und fügen das Nötige hinzu. Sie können ebenso abseits von Ihren Gedanken stehen und sie betrachten, bildlich gesprochen, "abschmecken". Aus Ihrer Reaktion können Sie sodann sagen, ob sie ihrer Beschaffenheit nach zu sauer oder zu süß sind. Ja, wir können Gedanken haben, die zu süß sind, genauso wie jene entgegengesetzten. Wir können über irgendeinen angenehmen Gedanken in allzu gehobener Stimmung sein, die eine genau so negative Wirkung auf unseren Fortschritt haben kann, wie ein unangenehmer Gedanke. Deshalb ist der Mittelweg der beste.

Wie Sie mit Ihren Gedanken fertig werden? Warum nicht sich zur Übung machen, die Gedanken "abzuschmecken"? Nicht buchstäblich natürlich, sondern sie zu probieren oder zu prüfen, ehe man sie zum Verweilen im Bewußtsein auffordert. Man kann auf eine Wiederkehr aller Gedankenarten aus der Vergangenheit gefaßt sein. Zeitweise ist niemand von uns selbst gegen schreckliche Gedanken immun, denn die Menschheit hat seit der Zeit im Garten Eden eine lange, lange Zeit gelebt und wir wurden in viele Handlungen und Gedanken verstrickt, die heute ganz und gar nicht mehr als normal betrachtet werden. Durch die Auswirkungen dieser längst vergessenen falschen Gedanken haben wir uns schon größtenteils hindurchgearbeitet, jedoch bis ihre Macht, uns zu beeinflussen, ganz gebrochen ist, müssen wir, sozusagen, durch ihren Kometenschweif gehen. Je mehr die ursprüngliche Kraft jener Gedanken zerstreut wurde, desto milder wird der Stoß der Reaktion, wenn er zyklisch wiederkehrt. Wenn diese Gedanken kommen, können wir jedesmal unsere Haltung ihnen gegenüber ändern und so ihre Fähigkeit, uns aus dem Gleichgewicht zu werfen, vermindern.

Werfen Sie sie niemals beiseite, ohne sie zu prüfen. Wenn Sie versuchen, sie zu ignorieren und merken, daß Sie alles Böse energisch abweisen können, dann werden sie versuchen, sich Ihrem Bewußtsein stärker aufzudrängen. Wenn Sie sie jedoch ruhig und gelassen als das ansehen, was sie sind, dann sind Sie der Meister. Deshalb ignorieren oder hassen Sie böse Gedanken nicht. Das ist fast so verderblich, wie sie zu lieben, denn Haß und Liebe sind die zwei Kräfte, die jedem Eindruck Stärke verleihen. Seien Sie leidenschaftslos und behandeln Sie sie, wie Sie ein Furunkel oder eine Pustel an Ihrem Arm behandeln würden. Sie entfernen das Gift aus Ihrem System und die Störung geht vorüber. Sie brauchen deswegen nicht gereizt oder ungehalten zu sein. Erkennen Sie sie einfach als etwas aus der Vergangenheit, das heute in einem anderen Lichte betrachtet werden muß. Prüfen Sie sie einen Augenblick lang und wenn Sie fühlen, daß Sie ihnen gegeben haben, was Sie ihnen diesmal geben können, dann entlassen Sie sie. Das Wunderbare dabei ist, daß, wenn man jedem Gedanken, der auf diese Weise kommt, gegenübertritt, sein Gegensatz oder seine ergänzende Qualität angezogen wird. Genau wie jede Farbe ihren ergänzenden Schatten hat, so hat jeder Gedanke seinen polaren Gegensatz. Wenn die Ergänzungsfarbe oder der entsprechende Gedanke und die Grundfarbe oder der Grundgedanke zusammenkommen, besteht wieder die Tendenz für ganz weiß oder farblos.

 

Frage: Wie kommt es, daß wir glauben, viele Dinge zu verstehen, aber erst wenn wir sie erleben müssen, verstehen wir sie wirklich?

Antwort: Die wirklichen Wahrheiten des Lebens sind so einfach, daß wir jeden Tag über sie stolpern, ohne sie zu sehen. Wenn wir sie aber einmal wirklich anwenden, werden sie zu einer lebendigen Erfahrung, die wir nie wieder vergessen. Das ganze Leben bewegt sich in spiralförmiger Weise und das gilt besonders für Gedanken und ihre zyklischen Eindrücke auf unseren Charakter wenn sie wiederkommen. Wenn man daher versucht, dem üblen Gedanken, der anscheinend ungeladen in unser Gemüt eintritt, ein wenig von der entgegengesetzten Qualität beizufügen, wird das dazu führen, seine Gewalt über uns zu schwächen, und dabei wird man jenen Gedanken nicht nur für eine bessere Zukunft entlassen, sondern man selbst wird stärker geworden sein. Wenn dann der Zyklus wiederkehrt, wird der frühere üble Gedanke von der Qualität begleitet sein, die Sie ihm beigefügt haben. Das ist ein einfacher Prozeß, der aber manchmal nicht leicht durchzuführen ist. Ich würde mich jedoch niemals entmutigen lassen.

In uns hat sich ein nie sterbender Funke der Göttlichkeit involviert und nun ist es unsere Verantwortlichkeit, jene göttliche Essenz durch das Vehikel des menschlichen Bewußtseins, das sie benützt, zu entwickeln und auszudrücken. Wir haben in der Vergangenheit viel erfahren und verstanden, haben es aber vergessen. Jetzt müssen wir die Stärke und die Unterscheidung entwickeln, um den evolutionären Prozeß bewußt und wohlüberlegt zu unterstützen. Alles, was wir erlitten haben, ist ein Teil unseres im Speicher unserer Seele hinterlegten Karmas. Aber wir können dieses Gedächtnis der Seele nicht wachrufen, wenn wir auf Hochspannung sind und beständig versuchen, dieses oder jenes Resultat zu erreichen, von dem wir mit unserem Verstand denken, daß es für uns notwendig sei, wobei aber unser Höheres Selbst sich vielleicht nach besten Kräften bemüht, uns zu zeigen, daß das nicht der Fall ist.

Der Prozeß des Wachstums hört nie auf, und selbst die Götter müssen ihre Probleme haben, nur haben sie sie auf einer höheren Ebene. Wir wollen uns deshalb nicht zu heftig bemühen, sondern uns innerlich entspannt halten und dem Karma, das jeder Tag bringt, ruhig ins Gesicht sehen. Wenn wir es unterlassen können, an den Früchten unserer Handlungen zu hängen, dann wird sich das durch unsere selbstischen Wünsche geschaffene und geschlossene Tor öffnen und das Licht der Wahrheit wird leuchtender in unser Herz scheinen. In dem Maße, in dem wir als sein Diener seinen Einfluß beachten, wird uns unser Höheres Selbst beim Weben des Musters unseres wahren spirituellen Schicksals sicherer führen.