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Gedanken aus der Werkstätte

Der Philosoph John Burton, der einmalige Kunstwerke in handgeblasenem Glas herstellt, gibt, während er arbeitet, Erläuterungen über das schöpferische Potential im Menschen und seine Ausdrucksmöglichkeit.

 

 

 

Das Leben auf diesem Planeten ist etwas Endloses. Ich glaube, daß alles Leben auf diesem Planeten eins ist und in gewissem Sinne, den der Verstand, der analysierende Verstand nicht begreift, ist jeder von uns ein Schößling jenes Lebens und daher sind wir eine Einheit. Weiterhin glaube ich, daß wir uns nicht davon trennen können, es sei denn durch unsere eigene Blindheit. Wenn wir das empfinden können, dann entdecken wir, daß wir mit einer unerschöpflichen Quelle in Berührung gekommen sind, aus der wir alle Energie, alle Inspiration, die wir nur wollen, beziehen können. Dort ist sie. Man muß jedoch damit zufrieden sein, daß man zeitweise inspiriert wird - und zeitweise nicht. Die Annahme, daß Wahrheit, Inspiration, Vision oder dergleichen erfaßt werden können, ist Unsinn. Sie müssen jeden Augenblick und jeden Tag wiederentdeckt werden. Sie gehören uns nicht. Wir gehören zu ihnen.

Eines unserer größten Probleme ist, daß wir so eifrig versuchen, das Leben zu leben. Die Menschen sagen: "Ich habe diese Fähigkeit und jenen Grad erreicht", und ich glaube, viele Menschen betrachten sich als ein Aggregat, die Gesamtsumme all ihrer Idiosynkrasien und Gewohnheiten, ihrer kleinen Errungenschaften, aber das stimmt nicht. Was wir wirklich sind, ist die Gesamtheit, und wir werden sie soweit erkennen, wie wir mit ihr in Berührung kommen, oder vielmehr, sie mit uns in Berührung kommen lassen. Was wir tun müssen ist, uns abseits zu stellen. Wir haben versucht, das Leben in der Form unserer kleinen Qualifikationen zu leben anstatt das Leben aufzufordern, uns zu leben, was etwas ganz anderes ist. Wenn alle Unsinnigkeiten und alle Idiosynkrasien aus dem Wege geräumt sind, dann besteht eine Möglichkeit, daß ein gewisser Sinn zu ersehen ist. Wir neigen dazu, alles vom Verstand aus zu betrachten. Wir sehen uns selbst als eine Art Aggregat von Fähigkeiten, doch wenn wir versuchen, sie zusammenzufügen, ergibt dies nur Verwirrung und Konflikt. Langsam spüren das die Menschen, aber viele sind noch immer dabei, nur um sich zu schauen.

Der heilige Augustinus hatte eine wunderbare Erklärung. Er sagte: "Vielleicht ist die beste Definition von Gott, die ich euch geben kann, die eines Kreises, der seine Peripherie nirgends hat, aber sein Zentrum überall." Nun, ich gehöre nicht zu den Vertrauten des verstorbenen Heiligen, aber meines Erachtens ist diese Auffassung eine der wichtigsten, die ich je gelesen habe. Ich stelle es mir so vor: Wenn man einen Kreis zeichnet und in die Mitte des Kreises einen Punkt setzt, so verkörpert der Kreisumfang die Dualität. Alles, was wir um uns herum sehen, oben und unten, schwarz und weiß usw. ist lediglich relativ, denn das Leben ist eine Einheit. Es ist wie die Wahrheit. Man erhöht das Bewußtsein und plötzlich, durch eine Reihe von Umständen, die der Verstand nicht zu begreifen vermag, denn es geht über ihn hinaus, weil er nicht das Werkzeug ist, das dem Gegenstand näherkommen kann, weil das Bewußtsein, das im Zentrum eingezeichnet ist, etwas Transzendentales ist und den Verstand übersteigt, kann irgend jemand, Sie oder ich, plötzlich feststellen, daß er nicht mehr länger dort draußen an der Peripherie ist. Er befindet sich hier im Zentrum und weiß, daß alle Punkte an der Peripherie gleichweit vom Zentrum entfernt sind. Wenn man diese Vorstellung davon hat, so gibt es gar keine Begrenzung mehr. Ich glaube, das wollte der heilige Augustinus sagen: Wenn jemand die Vorstellung hat oder völlig von ihr durchdrungen ist, sind Zentrum und Peripherie eins.

Diese Vorstellung liegt noch weit entfernt, aber ich meine, was die Völker anbetrifft, da sollte man nicht überängstlich sein. Sie tun, was sie müssen. Ich habe in etwa sechsundzwanzig Ländern auf dem Vortragspodium viel Erfahrung gesammelt und bin mir über folgendes sehr wohl im klaren: stößt man anscheinend auf einen dynamischen Widerhall bei den Zuhörern und drücken sie spontan ihre Wertschätzung, Begeisterung oder wie man es nennen möchte aus, dann hat man in Wahrheit für sie nur das gesagt, was sie bereits wissen, aber nicht imstande waren, in Worte zu kleiden.

Meiner Meinung nach sind wir hier, um das Königreich Gottes auf Erden zu schaffen, und ich suche nicht anderswo danach. Es mag irgendwo anders sein und wahrscheinlich ist es so. Wenn wir jedoch herausfinden können, wer wir wirklich sind, dann sind alle menschlichen Beziehungen untereinander gelöst - zwischen Ihnen und mir. Die Frage ist, ob wir Freunde sein können? Sind wir imstande, einander zu verstehen? Ist es uns wirklich möglich, unsere Gedanken auszutauschen? Das ist eine sehr schwierige Angelegenheit, aber wenn man ohne irgendeine besondere Tendenz an sie herantreten kann, dann kann man auch umso freier mit irgend jemand reden. Darum liebe ich die offene Begegnung. Es ist nicht möglich, eine Formel zu finden, die den Bedürfnissen aller Menschen gerecht wird. Es gibt keine Möglichkeit, und trotzdem haben die Menschen heute noch die Idee, daß all unser Nutzen und unser Verhalten von der Wissenschaft bestimmt werden müssen. Man glaubt, bevor nicht jemand eine Formel schreibt, die vervielfältigt werden kann, und die so berechnet ist, daß die Menschheit genau dort, wo wir jetzt sind, erleuchtet und reformiert wird, eher ist es nichts. Dann aber beschäftigt man sich nur mit Einzelnem - und welchen Nutzen hat man davon? Es dauert zu lange. Wenn sie mich fragen würden, was ich bei dieser oder jener Weltlage tun würde, dann würde ich sie nur daran erinnern, daß dies nicht meine Angelegenheit ist. Das ist mehr als man von mir verlangen kann, und es gibt keine Formeln, die die Fülle menschlicher Probleme lösen kann.

Man muß sich vor der fürchterlichen Versuchung hüten, Gott zu spielen. Ich z. B. verabscheue den Krieg, ich bin auf keiner Seite dabei. Das hat gar nichts damit zu tun. Die Leute sagen: "Wenn Ihre Philosophie nicht eine gewisse Lösung für Vietnam oder China beinhaltet, ist sie nichts wert." Ich aber sage, daß meine Philosophie kein Allheilmittel für die Welt beinhaltet. Ich beschäftige mich mit dem Einzelnen, nichts weiter. Ich weiß sehr wohl, daß mein einziger Einfluß darin besteht, zu versuchen, mir selbst Klarheit zu verschaffen. Deshalb gehe ich diesen Weg der schöpferischen Tätigkeit und hoffe, den Rest meines Lebens bei dieser Art schöpferischer Arbeit zu bleiben. Ich möchte das, was ich für wahr halte - und das im universalen Sinne - vielen Menschen, aber nicht der Masse darlegen.

Daher kommt es, daß ich nicht an dieser oder jener Bewegung interessiert bin. In dem Augenblick, wo man mit einer bestimmten Idee kommt, ist man erledigt, weil man damit in der Hörerschaft, die sofort spürt, daß man sie auf diese oder jene Weise überreden möchte, nur Widerstand hervorruft. Ich habe davon genug gesehen. Man kann kaum von den aus allen möglichen nationalen Empfindungen zusammengesetzten Gruppen von Menschen, die die verschiedensten Sprachen sprechen, und die alle möglichen religiösen Sitten, Gewohnheiten und Besonderheiten haben, verlangen, daß sie irgendeine oberflächliche Formel, die die Wirklichkeit verbirgt, annehmen - man muß tiefer gehen. Und wenn man tief genug geht, ist die Wurzel von allen die gleiche. Ist es nicht so? Will man daher etwas mitteilen, was man hat, - und wer hätte nichts? - und wer es nicht tut, ist meines Erachtens so gut wie tot - so muß man lernen, es in einer Weise mitzuteilen, die annehmbar ist. Will man einen Fisch bekommen, muß man eine Fliege werfen, die der Fisch als Köder sieht. Dabei spielt es gar keine Rolle, was im Buch über Angeln steht. Wenn man ihn am Haken hat, dann kann man ihn in verschiedene Gewässer bringen und, wenn der Fisch lebt, mag es zum Guten sein.

Es heißt oft, viele Tausende von Männern und Frauen müßten ihren Lebensunterhalt mit der Verrichtung von eintöniger Arbeit verdienen, weil ihnen kein anderer Weg offensteht. Damit bin ich nicht einverstanden. Ich bin in England geboren und erzogen worden, und einige der größten Verfechter zur Verbesserung der Gesellschaft, ihrer Sitten und ihrer Einstellung, ihres physischen Wohlbefindens und allem anderen, kamen aus den Slums von London. Sie blieben nicht dort, sie kamen heraus. Und jeder, der sich fest genug vornimmt, herauszukommen, kann herauskommen. Wenn daher die Menschen etwas sehen, was dem gleichkommt, was sie viel lieber hätten als den Platz, an dem sie sich befinden und dennoch bleiben wo sie sind, aus Furcht, einen Schritt in die Dunkelheit zu tun, dann verdienen sie, was sie erhalten. Infolgedessen wird dies die Erfahrung ihres Lebens, und es gibt nichts, was man für sie tun kann.

Ich erinnere mich, daß wir vor Jahren eine Bildungsstätte in Yorkshire, in einem schrecklichen Slum gegründet hatten, einem der schlimmsten. George Bernhard Shaw, G. K. Chesterton, John Drinkwater und viele unserer besten Gelehrten und führenden Köpfe kamen und halfen mit, sie aufzubauen. Ich wurde Leiter für Kunst und Handwerk. Edward Carpenter, der berühmte englische Kulturphilosoph, manchmal auch der Walt Whitman von Europa genannt, und ein lieber Freund von mir, war auch dort. Er schlug unter anderem vor, daß wir eine kleine Weberei einrichten sollten. Ich ließ einen Mann von den Somerset Webern kommen, der einen Webstuhl und eine Spinnmaschine mitbrachte, und wir fingen an, einigen Leuten aus den Slums das Weben zu lehren. Die meisten von ihnen waren in einer Fabrik beschäftigt, wo in Handarbeit Feilen geschnitten wurden. Ihre Lebensbedingungen waren beklagenswert. Manchmal wohnten fünfzehn in einem Raum. Das Weben machte ihnen schon Spaß. Unsere weitere Absicht war dabei, daß einige von ihnen sich später auf dem Lande ansiedeln sollten. Die Ermutigung hierfür gab mir Sir John Green, der Minister für Landwirtschaft, weil zu dieser Zeit viele Säcke gebraucht wurden. Man hoffte einerseits, daß sie diesen Bedarf decken und andererseits unabhängig werden könnten, und vielleicht würden einige von ihnen dann anfangen guten Tweed und anderes herzustellen. Wir haben keine einzige Person gefunden, die willens war, den Slum zu verlassen und aufs Land zu gehen. Nicht eine einzige. Nach Hamlet: Wir würden "lieber jene Übel ertragen, die wir haben, als anderen zuzueilen, die wir nicht kennen." Die Menschen bleiben einfach in ihrer Umgebung, weil sie ihnen vertraut ist. Sie sind so voller Trägheit! Sie sind zu drei Vierteln tot und nicht im geringsten mit ihrer Quelle in Berührung. Sie vegetieren einfach dahin - halb tot.

Und nun interessiert mich das schöpferische Handwerk sehr stark. Glücklicherweise ist dafür ein weltweites Interesse vorhanden. Man kann dabei einerseits die Muße schöpferisch verwenden und andererseits es auch zum Lebensunterhalt verwenden - wenn man nicht der reichste Mensch auf dem Friedhof sein möchte. Ich bin gerade von einer Weltkonferenz der Kunsthandwerker gekommen, die in Montreux, in der Schweiz, stattfand. Es ist das ein Teil des Wirkungsbereichs der UNESCO, und ich hielt die Eröffnungsansprache. Wir hatten Übersetzungen in drei Sprachen, und viele Nationen waren vertreten. Ich sprach über all diese ganz einfachen Dinge, die sofort durch Kopfhörer in Französisch und Deutsch übersetzt wurden, und am Ende gab es großen Applaus und ich wurde gebeten, mehr darüber vorzutragen. Ich glaube, die Menschen sind langsam aufgewacht und sind sich der Tatsache bewußt geworden, daß in unserer Welt bei Übernahme der Kybernetik die Einzelwesen gezwungen werden - jene, die willens sind, sich zwingen zu lassen - sich von dem Gebiet der Technologie und den Stellungen, in denen sie sich in dieser Technologie befinden, gefangen nehmen zu lassen. Sie betrachten sich einfach als menschliche Dinge, die die Technik beherrschen. Sie werden zu Robotern in einer mechanisierten Fabrik. Es gibt sehr, sehr wenige in solch einer Fabrik, die etwas erschaffen. Sie tun das, was man ihnen sagt; sie besorgen die Maschinerie, sie tun die sich wiederholenden Arbeiten und der einzige Grund für sie, um 8 Uhr zu kommen, eine Stempeluhr zu bedienen und um 5 Uhr das Werk zu verlassen, ist: am Wochenende ihre Zahlungsanweisung zu erhalten. Sie sind vollständig unausgefüllte Menschen, weil sie nichts mit ihren von Gott gegebenen schöpferischen Kräften getan haben; sie haben nicht irgend etwas geschaffen. Sie können nicht sagen: "Schaut her, das habe ich gemacht! Ich habe davon geträumt und ich habe es geschafft." Das aber ist die Erlösung des Menschen. Wenn wir wollen, daß diese Welt ein wirklicher Garten Eden ist, dann müssen wir die Rohstoffe der Natur, die uns umgeben, aufnehmen, und wir müssen sie "mehr nach dem Verlangen des Herzens formen."

Der Mensch hat mit seinen Händen viele Zivilisationen aufgebaut und zerstört. Er läßt sie entarten - und zerstört sie dann, sie werden überorganisiert. Die Menschen tun, was sie in Ägypten taten, was sie in Griechenland und Rom taten, und alles verging im wesentlichen aus den gleichen Gründen. Aber der Mensch muß wieder anfangen eine andere Gesellschaft aufzubauen. Ich glaube, wir müssen wieder darauf zurückkommen, daß jede Generation denkt, sie stehe der entscheidenden Krise gegenüber, was an sich genau wahr ist, weil es immer das Jetzt ist, wenn irgend etwas geschieht, so daß jeder, zu welcher Zeit in der Geschichte er auch lebt, in der entscheidenden Krise lebt. Die Welt ist nicht im mindesten besser oder schlechter als sie je war. Wir besitzen bessere Instrumente, mit denen wir umgehen können und bessere Möglichkeiten, um uns zu töten. Aber im Grunde sind wir nicht anders. Wir befinden uns in einem sehr verworrenen Zustand, aber ich bezweifle, daß er jetzt komplizierter ist, als früher.

Vieles stirbt und manches ist kaum geboren. Es überschneidet sich, und bei diesem Sichüberschneiden gibt es große Verwirrung, großen Aufruhr, weil das Neue noch nicht genügend hervorgetreten ist, um sein Wesen genügend Menschen zu zeigen, damit sie von ihm angezogen werden. Was meinen wir damit? In gewisser Hinsicht haben wir heute nur "eine Welt." Reise und Verkehr sind so riesig beschleunigt worden, daß wir mit jedem Land mit Lichtgeschwindigkeit in Verbindung treten können. In einem Vierzehntel einer Sekunde kommen Nachrichten aus den entferntesten Gegenden - so sieht die Welt aus, in der wir leben. Wir reisen weit, aber wir müssen uns noch immer mit allen möglichen nationalen Barrieren, mit Zöllen und Geldabgaben auseinandersetzen, und wir müssen einen Pass haben. Selbst in diesem Atomzeitalter leben wir noch im und mit einer Betrachtungsweise des sechzehnten Jahrhunderts. Damals gab es wenig Reisende: einige Mönche, ein paar Minnesänger, Abenteurer, Händler und Kreuzfahrer. Der Durchschnittsmensch starb innerhalb der fünfundzwanzig Meilen, wo er lebte. Jeder Fremde, der in sein Gebiet eindrang, der eine andere Sprache sprach oder in irgendeiner Weise andere Nahrung oder Kleidung hatte, wurde nicht nur als Ausländer, sondern auch als Feind angesehen. Und tatsächlich war er es oftmals auch.

Die Wissenschaft hat nun diese phantastische Verbindung zustande gebracht, wir aber sind noch nicht so weit herangewachsen, daß wir im Interesse aller damit umgehen können. Die Menschen haben noch immer die gleichen Beschwerden und an vielen Stellen ist das Gefühl noch immer voller Bitternis. Selbst sehr intelligente Menschen bleiben zurückgezogen, und die Rassenvorurteile existieren immer noch in den Herzen hochintelligenter Menschen. Es ist eine Idiosynkrasie, die sehr tief geht. Es gibt gewisse Dinge, die bis in die Tiefen der menschlichen Natur reichen; und wenn in diesen äußerst angespannten Zeiten die tiefe Gemütsbewegung mit dem denkenden Menschen in Konflikt gerät, dann gewinnt im allgemeinen die Gemütsbewegung. Dies ist eine individuelle Angelegenheit. Man kann andere nicht zwingen und antreiben - in der Menge werden sie nicht ermuntert. Jede machtvolle Pionierarbeit wird allein getan, sie kann nie in Gemeinschaft vollbracht werden. Jeder Einzelne muß selbst durch die moderne Verwirrung hindurchsehen. Alle müssen in eine neue, größere und erweiterte Atmosphäre stufenweise fortschreiten, ehe sie sehen können, wie die neue Welt sein wird. Tatsache ist, daß es nur ein Menschengeschlecht gibt, ob es uns gefällt oder nicht.

Das Beste, was wir tun können ist, uns selbst alles klar zu machen - uns und anderen Menschen. Wir mögen uns abwenden und sagen, das Problem sei eine Sache der Bildung, internationaler Bildung. Und dann können wir es in jeder Universität erleben, wie die sogenannten gebildeten Menschen Dissertationen aus dem Gebiet der Philosophie, der Wirtschaftslehre und anderen Gebieten abgeben und dabei doch immer der eine den anderen vom Gipfel seiner Gelehrsamkeit rundweg ablehnt. Wir sehen junge Menschenkinder heranwachsen und ihre Hoffnung, sich für den Stand eines Magisters oder für ein Doktorat qualifizieren zu können. Dann gibt es wiederum andere, die nicht an diesen Dingen interessiert sind. Sie sind niemals irgendwo anders gewesen, als in ihren eigenen Vaterstädten. Sie sind lokalpatriotisch, engstirnig, voreingenommen: "Das ist der größte Staat der Welt, das einzige richtige Volk sind die Amerikaner", und so weiter. Die Franzosen und die Deutschen denken das gleiche. In jedem Land gibt es Menschen dieser Prägung.

Mir scheint keine Bildung groß genug, wenn das Emotionelle und die Hände nicht geschult werden. Die Menschen gelangen nie zu ihrer eigentlichen Bestimmung, verstehen sich selbst nicht, bevor sie nicht etwas erschaffen. Shakespeare sagte, der eigene Gedanke muß zur Tat werden oder er ist wertlos, und diese - unsere Hände - sind die Zauberwerkzeuge, mit denen wir Zivilisationen aufbauen und zerstören. Sie sind unsere Werkzeuge, um etwas zu gestalten. Wenn wir eine freie Gesellschaft erhalten wollen, müssen ihre Mitglieder ihre Träume, Gefühle und Hoffnungen mit ihren Händen in irgend etwas greifbares umsetzen. Ich setze großes Vertrauen in das Handwerk. Es ist bei der Erziehung zu lange geringschätzig behandelt worden.

Im vergangenen Jahr vertrat ich die Vereinigten Staaten bei der Eröffnung der wunderbaren Ausstellung des British Crafts Council in London. Der Bischof von Willesden kam zur St. Pauls Kathedrale, wo wir versammelt waren und sagte am Anfang seiner Rede: "Ihr wißt, wir sind hierher gekommen, um unsere Hände, unsere Herzen und unsere Häupter dem unvollendeten schöpferischen Werk Gottes neu zu widmen." Wenn man das gesagt hat, hat man alles gesagt. Dies stimmt mit dem heiligen Franz von Assisi überein: "Der Mensch, der nur mit seinen Händen arbeitet, ist ein Arbeiter. Der Mensch, der mit den Händen und dem Kopf arbeitet, ist ein Handwerker; aber der Mensch, der voll und ganz das Herz hinzufügt - er ist der Künstler."

Es genügt nicht, nur den Geist eines Menschen zu schulen. Man muß die Gemütsbewegungen kontrollieren; man muß ihm helfen, seine Gemütsbewegungen zu verstehen und man muß dies tun, indem man ihm die Möglichkeit gibt, sie durch seine Hände in die dreidimensionale Realität irgendeines Gegenstandes zur Entfaltung zu bringen. Es ist nicht damit getan, nachzudenken und nachzudenken oder oben auf einem indischen Felsen zu sitzen und auf den eigenen Nabel zu schauen. Ich habe viele Menschen gesehen, die die östlichen Religionen so studierten und verrückt wurden. In so vielen Dingen wollen wir unbedingt praktisch sein, während wir zur gleichen Zeit, wenn es sich darum handelt, sich selbst zu erkennen, nur spekulativ sein wollen. Wir glauben, Ideen seien zum Spielen da. Wir können dasitzen und stundenlang diskutieren ohne eine Verständigung zu erreichen. Andererseits mag es sein, daß wir drei oder vier Stunden zusammen plaudern und uns dabei bestens verstehen. Das kann für jeden der Beteiligten eine der seltenen Inspirationen sein, denn es ist ja bekannt: "Wenn zwei oder drei versammelt sind" ... geschieht etwas. Aber wenn dem so ist, so soll das nicht heißen, daß etwas "organisiert" werden oder eine Geschäftsbasis hergestellt werden soll. Es kann durch das Gestalten von Dingen getan werden - und ich meine nicht nur Glas - doch wenn jemand erst einmal daran gewöhnt ist, sein Bewußtsein durch seine Hände fließen zu lassen, dann ist das das Letzte, was er aufgeben würde. In Indien sagt man, daß ein Vina-Spieler - die Vina ist eine Art Laute - so empfindsam sein muß, daß seine Hände einfach eine Erweiterung seines Instrumentes sind, die Vina wird ein Teil von ihm. Eine parallele Übung ist die Erzeugung eines wundervollen Klanges durch die menschliche Stimme. Auch das gesprochene Wort ist ein großer Schöpfer, wobei in bestimmten Teilen Indiens dieser Gesichtspunkt so verstanden wird, daß die Mehrheit der Weltbevölkerung etwas sehen will, was sie "gewinnbringend" nennt und woraus sie Nutzen zieht.

Vor einigen Jahren besuchte ich einen bedeutenden Psychiater in seiner Klinik, und er bat mich, dort Vorlesungen zu halten, weil er wollte, daß seine Ärzte und Mitarbeiter darüber hören sollten. Das Interessanteste, was ich als Laie in der ganzen Klinik gefunden habe, denn ich bin kein Mediziner, war das, was sie die Abteilung für Handtherapie zu nennen pflegten. Diese war in der Obhut einer Frau, die einmal eine ganz bedeutende Aquarellmalerin gewesen war und selbst in eine schwierige psychologische Lage gekommen war. Plötzlich entdeckte sie jedoch, daß sie sich aus ihren Problemen herausgemalt hatte. Sie sah, was sie getan hatte. Als ich dort war, war einer ihrer ehemaligen Patienten ihr Hauptassistent. Sie hatte diesen Menschen zum Malen ermutigt und ihm so geholfen, daß er sich allmählich aus einer ernsten Gemütserkrankung herausgemalt hatte. Ich sah dreizehn oder vierzehn seiner Bilder, die im Zimmer verteilt waren. Man konnte sehen, wie die allmähliche Heilung stattgefunden hatte. Die ersten waren böswillig und grotesk, aber die letzten drei oder vier Bilder waren fabelhaft. Nie zuvor hatte er Unterricht gehabt. Ich halte sehr viel von dem Grundsatz der ältesten katholischen Disziplin, die darin bestand, die eine Tageshälfte mit Gebet und Studium zu verbringen und die andere Hälfte mit schöpferischem Gestalten und praktischer Arbeit. Bevor nicht etwas in uns sich rührt, bevor nicht die Emotionen, die über dem Gehirnverstand liegen, erreicht sind, ist die Vision nicht vollständig und man lebt als halber Mensch. Wenn man klar sehen kann, und wenn man lernen kann, mit den Händen das eigene innere Leben äußerlich auszudrücken, dann ist das Ergebnis eine vollständig spontane Schöpfung all dessen, was im Innern ist.

Von diesen Dingen glaube ich, daß sie etwas bedeuten und darauf möchte ich die neue Welt aufgebaut sehen. In meiner Arbeit als Metallurg habe ich mitgeholfen, schreckliche Waffen für die Zerstörung zu machen, aber in dem Augenblick, wo ich mich freimachen konnte, tat ich es; und ich habe es nie bedauert. Ich glaube an die Veränderlichkeit, und ich glaube, man muß etwas Wunderschönes schaffen, und für mich ist jetzt Glas das Medium - es hat das hindurchfallende Licht. Ich bin sehr zufrieden, daß ich versuchen kann, etwas zu tun, was ich kann. Ich muß gewissenhaft allem den Rücken kehren, was ich vorher getan habe, weil ich nicht stehen bleiben möchte. Kann ich später einen besseren Weg sehen, so werde ich diesen verlassen und jenen gehen.

Glas ist der große Kelch von Licht und Farbe und es läßt sich damit am wenigsten verderben. Aus Uran und Kobalt kann man wunderschöne Farbschattierungen machen, nicht nur Kriegsmaterial. Um diese wunderschönen Stücke formen zu können, muß man in einem geordneten Bewußtseinszustand sein. Man erreicht es nicht, weil man gerade mit der Technik vertraut ist. Man muß Technik besitzen, die äußerst feinfühlig ist. Beginnt man dann zu arbeiten und sind alle Sinne froh, dann spürt man eine inspirierende Gemütsruhe. Churchill erging es so bei seiner Malerei und Maurerei. Er fand, was jeder findet, daß die schöpferische Handlung der Hände ein Agens bildet, das alle Ablenkungen ausschließt. Man erkennt die Einfachheit des Zwecks und irgendwie ist alles, was man ist, in einem einzigen Punkt versammelt. Wenn ein Mensch darin gefangen ist, kann er aus dem Stegreif reden und schöpferisch tätig sein.

Ich bin ein Optimist und Humanist; ich glaube an die Menschen. Diesen Planeten beseelt ein Leben und jeder von uns ist ein Weg von ihm und zu ihm. Wo immer wir hinblicken, sehen wir in das Antlitz Gottes. Ich habe nur ein Thema: der allerhöchste Wert des Lebens wohnt in jedem Individuum - ich sehe die menschlichen Beziehungen in den Beziehungen aller Menschen untereinander verwurzelt. Was wir tief in uns wissen ist das Wichtige. Wir müssen über uns selbst hinausfinden. Ich habe mehr über mich selbst erfahren, als ich je in irgendeiner Schule gelernt habe, nachdem ich anfing mit Glas umzugehen. Ich habe die Gewalttätigkeit, den Hungertod und das Elend in dieser Welt gesehen. Aber trotz all meines Verlangens nach Beendigung dieser Übel besteht für mich die einzige Möglichkeit nur darin, den Gesang des schöpferischen Lebens zu singen.