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Das Geheimnis von Stonehenge – 2. Teil

Seit Jahrhunderten gaben die riesenhaften Ruinen, die in England auf der Ebene von Salisbury stehen, zu lebhaften Spekulationen Anlaß. Waren sie ein Tempel, der von den Druiden für ihre heiligen Riten erbaut wurde? Oder sind sie vielleicht tausende von Jahren älter? Welchem Zwecke dienten sie? Vor kurzem äußerte sich Dr. Gerald Hawkins von der Universität Boston dahingehend, daß Stonehenge ursprünglich ein astronomisches Observatorium gewesen sei. Das Columbia Broadcasting System prüfte Dr. Hawkins Theorie durch eine photographische Aufnahme nach, die am Tage der Sommersonnenwende an Ort und Stelle gemacht wurde, und brachte die Sendung am 1. Februar 1965 in einem farbigen Fernsehprogramm für die Allgemeinheit, in dem auch die Meinungen mehrerer Experten der Archäologie und Prähistorie aus Großbritannien wiedergegeben wurde.1 - Der Herausgeber

 

 

 

Collingwood: Professor, wer hat Stonehenge errichtet?

Atkinson: Nun, soviel wir wissen, wurde es von den damals hier in diesem Teile der Welt ansässigen unzivilisierten Völkern aufgebaut.

 

Collingwood: Wie konnten Barbaren so etwas aufbauen?

Atkinson: Nun, Barbaren sind trotz allem keine Wilden. Sie sind nur in dem Sinne nicht zivilisiert, daß sie nicht in Städten leben. Aber Barbaren sind Menschen, die, wie diese hier, die Fertigkeiten in der Metallbearbeitung besitzen und Rohmaterialien von entfernten Gegenden herbeizuschaffen vermögen. Ganz offensichtlich waren sie dazu fähig.

 

Collingwood: Aber es muß ein Architekt, ein Organisator dabei gewesen sein, denn so etwas konnte nicht nur der Höhepunkt eines nur organisch gewachsenen Volkswissens sein.

Atkinson: Nein, ich bin sicher, daß ein Architekt da war. Das ist eines der wenigen prähistorischen Monumente in Europa, wo man sicher sein kann, daß jemand dabei war, der ein wirklicher Planer, ein richtiger Architekt im modernen Sinne des Wortes und nicht nur ein Baumeister war.

 

Collingwood: Glauben Sie nun, daß es ein Brite war, oder daß er von irgendwo anders hierher kam?

Atkinson: Ich denke, es ist viel wahrscheinlicher, daß er von außerhalb, vielleicht aus dem Mittelmeergebiet und möglicherweise aus der mykenischen Welt in Griechenland kam.

 

Collingwood: Waren sie dort zu jener Zeit weiter fortgeschritten als die Einwohner Britanniens?

Atkinson: Sehr viel weiter. Sie hatten eine Zivilisation im wahren Sinne des Wortes. Die Menschen lebten in Städten, was die ganze Spezialisierung der Arbeit und Versorgung, der Herstellung von Geräten und so weiter, und alles, was mit dem Leben in der Stadt in Zusammenhang steht, einschloß.

 

Collingwood: Gibt es neben den architektonischen Ähnlichkeiten noch andere Hinweise auf den von Ihnen vermuteten Einfluß aus dem Mittelmeergebiet?

Atkinson: Nun, einer befindet sich direkt hinter Ihnen, von dem auf jeden Fall viele von uns glauben, daß er einen richtigen mykenischen Dolch darstellt - eine Dolchart, wie sie in den Königsgräbern von Mykenä, in den Grüften, den Begräbnisstätten der Vorfahren des Agamemnon gefunden wurde.

 

Collingwood: Aber ist diese Vorstellung vom Einfluß aus dem Mittelmeergebiet nicht ziemlich neu? Und jener Dolch hat 4000 Jahre dagelegen?

Atkinson: Ja, aber es wurde erst 1953 durch Zufall entdeckt, als wir moderne Namen photographierten, die auf demselben Stein eingraviert waren.

 

Collingwood: Professor Atkinson, wie konnten diese Menschen einen Stein, der etwa 50 Tonnen wiegt, aufrecht in den Boden stellen?

Atkinson: Das ist etwas, das wir, denke ich, am besten an einem Modell zeigen können. Um den Stein aufrecht stellen zu können, mußten sie natürlich als erstes ein Loch graben - ein Loch mit senkrechter Rückwand und mit Holzpfählen gesichert und einer abgeschrägten Rampe auf der anderen Seite. Wenn das geschehen war wurde der Stein wahrscheinlich auf Walzen an das Loch gerollt, bis sein unteres Ende über dem Loch lag. Dann mußten sie am äußeren Ende - am oberen Ende des Steines - Haltevorrichtungen zum Ansetzen der Hebel anbringen. Damit wären sie imstande gewesen, diesen oberen Teil mit Hebeln ziemlich leicht zu heben, weil das Schwergewicht des Steines am unteren Ende liegt und er mehr oder weniger auf der vordersten Walze ausbalanciert wird. Die Hebel konnten ihn auf diese Weise immer wieder um einige Zoll heben. Natürlich mußten sie den Stein am unteren Ende sichern und die Hebel immer wieder einige Zoll höher ansetzen. Wenn dann der Stein schließlich beinahe im Loch war rutschte er vollends hinein und blieb in dieser Lage stehen.

 

Collingwood: Aber dann muß man gegen das Gesetz der Schwerkraft ankämpfen, um das Ding gerade zu stellen.

Atkinson: Ja, das taten sie, und ich denke, es geschah in der Hauptsache durch Benützung von Druckhebeln - auf jeden Fall am Anfang. Wahrscheinlich bauten sie ein Gerüst aus kreuz und quer übereinander gelegten Baumstämmen, die dort, wo sie sich kreuzten, eingekerbt waren, damit sie nicht wegrollten, wie dieses hier, um die Hebel höher ansetzen zu können - hier oben. Ich habe nicht die Zeit, das ganze Modell für Sie aufzubauen, aber Sie können sehen, was ich meine. Man wäre imstande, die Hebel hier gegen das obere Ende zu unter dem Stein anzusetzen, und er könnte immer wieder um einige Zoll gehoben werden. Auf diese Weise konnten sie ihn bis zu einem gewissen Grad aufrichten. Dann mußten sie am oberen Ende Seile befestigen. Ich denke, das geschah mit Hilfe eines bis zum obersten Teil errichteten Gerüstes aus Baumstämmen. Eine hier außen aufgestellte Mannschaft konnte an den Seilen ziehen und den Stein auf diese Weise aufrecht stellen.

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Bildtext: Stonehenge – Innerer Kreis, Blick nach Norden.

Collingwood: Und dann mußten sie natürlich den Querstein aufsetzen.

Atkinson: Ja. Der Querstein wurde wahrscheinlich auf einem Schlitten wie diesem hier herangeschafft und in etwa der gleichen Weise mit Hilfe eines kreuz und quer übereinander liegenden Gerüstes, einer Unterlage aus Baumstämmen, emporgehoben. Zuerst wurde der Querstein hier auf den Boden gelegt. Dann wurde er mittels Hebebäumen, die auf einer Holzunterlage ruhten, ein paar Fuß vom Boden abgehoben. Dieses Gerüst aus Baumstämmen wurde dann unter dem ganzen Stein errichtet und abgedeckt. Darauf ruhte dann der Stein und konnte auf diese Weise immer wieder ein paar Fuß gehoben werden, bis er so hoch, wie das obere Ende der aufrechtstehenden Steine war. Und dann wurde er natürlich dort festgemacht. Oben auf den aufrechtstehenden Steinen befanden sich rundliche Erhöhungen und Zapfen und auf der Unterseite des Quersteines die Zapfenlöcher und so sitzt der Stein dann oben.

 

Collingwood: Professor Atkinson, Sie haben uns sehr anschaulich mitgeteilt, wann Stonehenge errichtet wurde, wer es errichtete, und wie es aufgebaut wurde. Aber wozu wurde es errichtet?

Atkinson: Ich glaube, das ist die Frage, von der Sie nicht erwarten können, daß sie beantwortet wird. Das ist das große Geheimnis von Stonehenge, und ich glaube, es wird immer ein Geheimnis bleiben. Die Schwierigkeit liegt darin, daß, wenn Sie sich mit archäologischem Beweismaterial, mit materiellen Überresten aus der Vergangenheit beschäftigen, Sie nicht mit Bestimmtheit die Frage beantworten können, warum etwas geschah. Die Archäologie befaßt sich nicht mit menschlichen Beweggründen. Ich glaube, daß jedermann mehr oder weniger davon überzeugt ist, daß Stonehenge ein Tempel war. Das ist aber auch alles, was Sie über das Warum von Stonehenge sagen können. Wenn Sie sich für Vorgeschichte interessieren, dann müssen Sie sich mit der Arbeit der menschlichen Hände beschäftigen. Aber Sie können nicht die Gedanken erreichen. Wenn Sie versuchen, sie zu erreichen, so schlüpfen sie Ihnen durch die Finger.

 

Collingwood: Aber Dr. Hawkins wollte die Überlegungen über Stonehenge nicht aufgeben.

Kendrick: Einer der Experten über Stonehenge hier sagt, daß die einzige Frage über Stonehenge, die Sie nicht stellen können, ist "wofür?" Und nun stellen Sie beide diese Frage "warum" und beantworten sie.

 

Hawkins: Sie können nicht fragen warum, wenn materielle Dinge in Betracht kommen. Sie können fragen warum, wenn es sich um Menschen handelt. Und da Stonehenge von Menschen errichtet wurde, so meine ich, daß die Frage nach dem "Warum" eine sehr, sehr gute Frage ist, und ich habe tatsächlich die Antwort gefunden. Sie hatten großes Interesse an Stonehenge, um die Sonne und den Mond genau zu beobachten. Meine Antwort lautet, daß es ein Observatorium war, und das ist die Begründung des warum.

 

Kendrick: Wie hat es nun als Observatorium funktioniert? Dieser Stein, den wir hier durch den Bogen sehen, ist der Brennpunkt nicht wahr?

Hawkins: Das ist der Schlußstein. Er ist 200 Fuß (65,62 m) von uns entfernt und wenn Sie ihn in die Mitte des Bogens nehmen, markiert er den Sonnenaufgang zur Sommersonnenwende.

 

Kendrick: Gut. Geht die Sonne direkt über dem Schlußstein auf? Ist das das Bedeutsame am Sonnenaufgang zur Sommersonnenwende?

Hawkins: Oh ja, sie kommt an der linken Seite empor, bewegt sich dann auf die rechte Seite und steht dann direkt auf der Spitze des Steines.

 

Kendrick: Und es ist heute noch genau so wie vor 4000 Jahren?

Hawkins: Vor viertausend Jahren stand die Sonne etwas höher. Der Schlußstein stand aufrechter und so, ja, wenn Sie Glück haben, so könnten Sie genau das gleiche beobachten wie vor 4000 Jahren.

 

Kendrick: Wie haben die Steine selbst diese Theorie bewiesen, daß sich die Sonne, wie sie es beobachteten, am Horizont entlang bewegt.

Hawkins: Im Juli beginnt die Sonne sich nach Osten zurückzubewegen und beim tiefsten Stand zur Wintersonnenwende geht sie hier in diesem Hauptgang für die Sonne auf. Zur Sommersonnenwende würde sie über dem Schlußstein aufgehen; zur Wintersonnenwende wäre es in dieser Spalte links davon.

 

Kendrick: Ja, aber was ereignete sich dazwischen?

Hawkins: Weitere Stellungen waren nicht gekennzeichnet. Sie sehen, diese Menschen hielten nur die extremen Positionen fest, die nördlichste und die südlichste.

 

Kendrick: Was sollen dann alle diese Säulen hier, die den Platz einsäumen, diese 30 Steine, die rund um den Mittelpunkt stehen? Welche Bedeutung haben sie?

Hawkins: Viele von ihnen dienten dazu den Aufgang und Untergang der Sonne und des Mondes zu bezeichnen. Aber die Zahl dreißig wurde zur Zählung der Tage des Monats gewählt, und um einen symmetrischen Aufbau zu erhalten. Es ist tatsächlich sowohl ein Zählsystem als auch eine Richtlinie.

 

Kendrick: Aber wie fügt sich der Neumond oder irgendeine Mondphase in die Berechnung der Sonne? Wie findet der Mond seinen Platz?

Hawkins: Nun, es ist sehr wichtig, die Mondphasen zu verfolgen. Der ganze Gedanke dreht sich hier um das Gegenspiel zwischen Mond und Sonne. Bei Vollmond steht der Mond der Sonne gegenüber. Wenn er ihr genau gegenüber steht, gibt es eine Finsternis. Wenn wir also den Mond Tag für Tag verfolgen, und seine Spuren markieren, so werden wir wissen, wann er voll sein wird und wann die Mondfinsternis stattfindet. Dieser Durchblick hier ist für die Beobachtung der Sonne. Er markiert die Sonne zur Wintersonnenwende. Zuweilen kommt auch der Mond durch diesen Spalt. Wenn das der Fall ist, gibt es eine Finsternis.

Das hier ist der große Trilith - der Stein an der einen Seite ist umgefallen und somit auch die Überdeckung, so daß nur ein Sarsen Stein stehenblieb. Dieser Trilith kennzeichnete den Sonnenuntergang zur Wintersonnenwende.

 

Kendrick: Wenn die 30 Pfeiler nur dazu dienten, die Tage zu zählen, was ist dann der Grund für die Zahl der 56 Löcher im äußeren Umkreis?

Hawkins: Das ist eine sehr schwierige Frage. Die 56 ist ein Zyklus der Verfinsterungen; alle 56 Jahre stimmen die Mondphasen überein, und ich behaupte, daß niemand es anders erklären kann, warum es 56 sind. Es muß so sein, daß sie Jahr um Jahr zählten, die Jahre zählten, um festzustellen, wann die Finsternis stattfinden würde.

 

Kendrick: Waren vor 4000 Jahren die Menschen in anderen Teilen der Welt in Mathematik und Astronomie ebensoweit fortgeschritten, wie die Menschen hier in Stonehenge?

Hawkins: Oh, das britische Volk wird es gern hören, daß die alten Briten den Babyloniern in astronomischem Wissen mindestens um tausend bis fünfzehnhundert Jahre voraus waren. Die Babylonier erfanden die Mathematik und konnten schreiben, aber ihre Astronomie entwickelten sie erst ungefähr 500 v. Chr.

 

Collingwood: Die Zeittabelle über menschliches Wissen weicht um tausend Jahre ab! Wenn Sie die gesamte Wissenschaft aufrütteln wollen, dann wird es diese Behauptung tun.

Atkinson: Ich persönlich finde es sehr schwer damit übereinzustimmen. Sicherlich hat er recht, daß die Löcher zu diesem Zweck benutzt werden konnten, aber das ist nicht die Hauptsache. Worauf es ankommt ist, wurden sie dazu benutzt und das bedeutet in Betracht zu ziehen, was wir über die Menschen wissen, die das erste Stonehenge errichteten, von dem jene 56 Löcher ein Teil sind. Sie waren nicht jene Art Menschen, die fähig waren, etwas so kompliziertes wie dies auszudenken. Schließlich war die Lebensspanne dieser Menschen viel kürzer als die unsrige. Es ist sehr zu bezweifeln, ob im Durchschnitt irgend jemand lange genug leben würde, um nur einen vollkommenen Zyklus zu beobachten, und unzweifelhaft müssen Sie mehrere Zyklen beobachten und registrieren, ehe Sie sicher sind, daß überhaupt ein Zyklus besteht.

 

Hawkins: Ein Mensch des Steinzeitalters lebte sicherlich lange genug, um einen Zyklus von 18 Jahren wahrzunehmen und zu beobachten. Er konnte ja auch die Dinge, wie sie stattfanden, im Gedächtnis behalten, und indem er sie mündlich weitergab, konnte ein Wissen angehäuft werden, das ausreichte, um die komplizierten Bewegungen des Mondes zu verstehen. Wie konnten sie es getan haben? In erster Linie ist natürlich an die Sagas, die Gedichte, die homerischen Heldengesänge zu denken. Schreiben ist ganz offensichtlich eine spätere Erfindung und als es unter den griechischen Gelehrten aufkam, wurde das Wissen in Büchern niedergeschrieben. Einige Gelehrte erhoben Einspruch gegen diese Profanierung ihres Wissens. Doch Tatsachen im Gedächtnis zu behalten und sie dann mündlich weiterzugeben war eine in der alten Welt sehr wohlbekannte und sehr verbreitete Methode.

Atkinson: Die Aubrey-Löcher gehören zum Anfang Stonehenges. Der Kontakt mit Griechenland und mit höheren und neueren, wissenschaftlichen Zivilisationen kommt erst hunderte von Jahren später zustande, als die Aubrey-Löcher, wie ich glaube, schon vollkommen überwachsen und auf der Oberfläche überhaupt nicht mehr sichtbar waren.

 

Hawkins: Diese Menschen brauchten die Belehrung nicht von außen her. Diese Belehrung hat tatsächlich nicht stattgefunden. Was in Stonehenge vor sich ging, geschah schon tausend Jahre zuvor.

Atkinson: Es sind einfach 56 Löcher im Boden. Diese bilden ungefähr 5 m von einander entfernt einen Kreis und - und das ist, glaube ich, wichtig für Professor Hawkins Theorie - sie wurden gleich nachdem sie gegraben waren wieder aufgefüllt. Seiner Meinung nach wurden sie als Zeichen, als eine Art Rechenmaschine für lange Zeit benutzt. Mein Einwand dagegen ist ein rein praktischer. Und zwar, wenn man 56 Markierungen im Boden festlegen will, so ist es nicht das Beste erst Löcher zu graben und sie dann wieder zuzuschütten.

 

Hawkins: Es war eine sehr intelligente Art diese Stellen zu bezeichnen. Die heutigen Archäologen gruben diese Löcher aus und stampften die ausgegrabene Kreide wieder hinein. Resultat: nichts wächst dort. Wir haben einen wunderbaren weißen Fleck - ein bleibendes, unauslöschliches Zeichen.

Collingwood: Zwei Männer, die die Sache von zwei verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachten. Aber die übrige wissenschaftliche Welt setzte sich mit Hawkins Theorie auseinander und wir wandten uns an einige Experten. Wenn man einen Experten in Astronomie hören will, so wendet man sich an das Königliche Greenwich Observatorium. Von dort kamen seit der Gründung durch Karl II. in drei Jahrhunderten einige der wichtigsten Entdeckungen der modernen Wissenschaft. Astronom Harold Richards:

 

Richards: Über die astronomische Bedeutung von Stonehenge gibt es keinen Zweifel. Professor Hawkins scheint jedoch beweisen zu wollen, daß die 56 Aubrey-Löcher zur Voraussage von Finsternissen dienten, und ich glaube, es gibt keinen Beweis, daß ein solcher 56-Jahreszyklus tatsächlich existiert.

Hawkins: Der 56-Jahreszyklus war den Astronomen bisher nicht bekannt. Ich fand ihn bei meinem Studium von Stonehenge. Der 56-Jahreszyklus ist von den Jahreszeiten abhängig. Die Stonehenge Menschen interessierten sich sehr für die Finsternisse während der Jahreszeiten. Die modernen Astronomen von heute taten es nicht. Das ist der Grund, warum sie den 56-Jahreszyklus verloren.

 

Moore: Ich bin nicht ganz überzeugt davon, ich habe einige Bedenken dabei. Wenn die Erbauer von Stonehenge so viel Wissen besaßen, um einen genau funktionierenden Berechner dieser Art zu errichten, so mußten sie auch, meiner Meinung nach, genug gewußt haben, um imstande zu sein, Finsternisse und andere Erscheinungen vorauszusagen, ohne zum Bau ziemlich großer und viel Platz einnehmender Monumente dieser Art Zuflucht nehmen zu müssen.

Hawkins: Für die meisten kostspieligen Dinge gibt es eine leichtere Art sie auszuführen. Man braucht keine Pyramiden von der Größe, die sie haben. Sie könnten kleiner sein. Den Parthenon hätte man auch unten am Berg bauen können. Die großen Steine von Stonehenge haben einen Vorteil. Sie sind ein bleibendes Zeugnis. Sie verändern ihre Lage nicht, und wir wissen, die Menschen der Megalithkultur dachten eben gigantisch. Aus irgendeinem Grunde waren sie von der Idee besessen, diese gewaltigen Megalithe über die ganze Stätte verstreut aufzustellen und als sie es geschafft hatten, hatten sie wahrscheinlich das Gefühl etwas errichtet zu haben, das alle Menschen sehen konnten.

 

Collingwood: Alexander Thom, Professor im Ruhestand, Technische Wissenschaften, Universität Oxford.

Thom: Diese Menschen waren intellektuell viel weiter entwickelt, als wir allgemein zugeben. Ihre Geometrie beweist das. Diese Menschen haben an den Hügelabhängen und auf den Heideländern Britanniens etwa ein Dutzend Steinellipsen aufgestellt. Allgemein wird angenommen, daß die Ellipse durch die Griechen zu uns kam, aber diese Menschen zeigen schon tausend Jahre früher, daß sie die Ellipse kannten.

 

Collingwood: Stuart Piggott, Professor in Vorgeschichte, Universität Edinburgh:

Piggott: Nun, wie barbarisch ist eigentlich ein Barbar? Wir dürfen sie uns nicht, wie ich fürchte, daß es viele Menschen tun, als jene schrecklichen, bärtigen, mit Häuten bekleideten Ungeheuer vorstellen, die aus ihren Höhlen hervorkriechen und in der Gegend umhertrotten, die für so viele Menschen den ganzen prähistorischen Menschen ausmachen. Das mag für die ersten Stadien - für die allerersten Stadien - des prähistorischen Menschen gelten, aber die Kulturen solcher Menschen sind schon viele tausende von Jahren vor der Zeit über die wir sprechen untergegangen, und wir beschäftigen uns mit Burschen - und Mädchen - die so hübsch wie Sie und ich waren und von uns nicht zu unterscheiden, wenn sie modern gekleidet wären.

 

Collingwood: Dr. Frank George, Universität Bristol, Experte in Elektronenmaschinen:

George: Meiner Meinung nach ist jenes Stonehenge unzweifelhaft ein Computer in dem Sinne, daß es eben als solcher benutzt werden konnte. Ich glaube, Professor Hawkins Annahme ist dabei vollkommen richtig. Sie können Stonehenge als einen Weg betrachten, auf dem man astronomische Voraussagen macht. Die eigentliche Frage ist natürlich, ob das wirklich seine Bestimmung war. Das ist viel schwieriger zu beantworten und bleibt, wenn Sie wollen, eine 64 Dollar Frage. Aber über eines müssen wir uns, denke ich, vollkommen klar sein - wenn wir in diesem Zusammenhang ein Wort wie Computer gebrauchen, so meinen wir nicht ein gewaltiges elektronisches System mit Tasten, wie es heute in der ganzen Welt benützt wird. Wir meinen eine einfache Vorrichtung zum zählen und das konnte durch Sammeln von Stäben geschehen. Es konnte auch durch Zeichen an Felsen angebracht oder wenn man will, irgendwie anders getan werden. Auch mit Löchern im Kreise angelegt, wie sie es anscheinend in Stonehenge getan haben, konnte es gemacht werden. Außerdem ist es aber ein zu unwahrscheinliches Zusammentreffen, um anzunehmen, daß die 56 durch Zufall entstanden.

 

Moore: Tatsache ist, daß die Sonne jetzt nicht über dem Schlußstein aufgeht und nie über ihm aufgegangen ist. Zur Zeit geht der untere Teil der Sonne über dem Schlußstein auf, zur Sommersonnenwende steht sie bei Sonnenaufgang bereits vollständig über dem Stein. Das war sogar noch mehr der Fall als Stonehenge errichtet wurde, weil die Sonne zu jener Zeit etwas westlich von ihrer gegenwärtigen Stellung aufging. Die Berechnung ist also ganz und gar nicht genau. Tatsächlich wird die Sonne erst im Jahre 3260 n. Chr. direkt über dem Schlußstein aufgehen. Deshalb denke ich, ist das alles ziemlich problematisch.

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Bildtext: Sonnenaufgang in Stonehenge zur Sommersonnenwende.

Hawkins: Die Sonne geht über dem Schlußstein auf. Meine mit diesem Computer angestellten Berechnungen zeigen, daß sie an der Sommersonnenwende auf der Spitze des Schlußsteines steht, und wenn ich mit dieser Berechnung recht habe, sind alle anderen 24 Berechnungen ebenfalls richtig. Und wenn diese Berechnungen richtig sind, ist meine Meinung über Stonehenge als eine Berechnungsanlage bestätigt.

 

Collingwood: Sommersonnenwende - 1964. An den meisten Orten ist blauer Himmel. In Stonehenge ist voraussichtlich Nebel. Als wir unsere Kameras aufstellten, um einen sichtbaren Beweis einzufangen, der Professor Hawkins Theorie bestätigen konnte, war es kalt und dunstig. Bis jetzt existierte diese Theorie nur auf dem Papier. Dr. Hawkins sagte uns, daß ein Bild vom Sonnenaufgang alles sei, was er brauche, um seine Berechnungen ein für allemal zu beweisen. Es gibt selten einen Morgen auf der Ebene von Salisbury, an dem die Sonne nicht im Nebel versteckt ist. Wenn sie an diesem Morgen verborgen bleibt, bleibt Professor Hawkins Theorie nur eine Theorie. Aber wenn sich die Sonne sichtbar über dem Schlußstein erhebt, wird sich jede der 24 Berechnungen, für die er den Schlüssel bildet, als richtig erweisen. Wenn sich die Sonne nicht zeigt oder neben dem Schlußstein aufgeht, sind die Berechnungen bedeutungslose Zahlen auf dem Papier.

Dieses Experiment wurde genau zur Zeit des Geschehens gefilmt. Unsere Kameras sind im Mittelpunkt auf der Mittellinie von Stonehenge aufgestellt. Wir photographierten den feierlichen, unvermeidbaren Weg der Sonne von der Stelle aus, an der jene alten Beobachter gestanden haben mußten und nehmen nun so an der Erwartung des Startzeichens teil, das vor 4000 Jahren begonnen hatte. Die Menschen von Stonehenge standen damals erwartungsvoll dicht gedrängt hier und warteten auf einen Gott, der Wärme, Fruchtbarkeit und Leben brachte. Wir warten jetzt, daß sich ein Tor zur Vergangenheit öffne, um einen neuen Einblick in das Denken des prähistorischen Menschen zu gewinnen.

Die Sonne geht über dem Schlußstein auf! Die Volkskunde ist jetzt Tatsache. Die Überlieferung ist Wissenschaft geworden und - das erstemal - durch eine Filmaufnahme beurkundet. Dr. Hawkins entdeckte, daß seine Berechnungen bis auf ein zehntel Grad genau stimmten. Wenig Zweifel scheint mehr zu bestehen, daß Stonehenge ein Observatorium war.

Professor Atkinson, der die Idee immer noch bezweifelt, daß Stonehenge der Vorausberechnung von Finsternissen diente, gibt zu, daß Hawkins einen neuen und wertvollen wissenschaftlichen Beitrag geleistet hat. Doch auch Dr. Hawkins mußte zugeben, daß wir bis jetzt noch nicht die ganze Geschichte kennen. Und so geht die Forschung nach der Wahrheit über Stonehenge weiter.

Professor Atkinson plant neue Ausgrabungen im Gebiete um Stonehenge. Professor Hawkins untersucht einen Steinkreis in Schottland und hat dort Ausrichtungen auf Sonne und Mond und Steinreihen gefunden, die als System zu Berechnungen benutzt werden konnten. Heute arbeitet Stonehenge - Anlage für Berechnungen, Observatorium, man kann es nennen, wie man will - das ganze Jahr hindurch planmäßig.

Im Dezember kehrten wir zurück, um es erneut zu prüfen. Professor Hawkins hatte uns gesagt, daß die Anlage in Stonehenge eine Verfinsterung des Vollmondes am 19. voraussage. Unsere Kameras standen bereit und wir wurden nicht enttäuscht.

Dieser Durchblick markiert den Sonnenaufgang zur Wintersonnenwende. An einem weiteren kalten Dezembertag standen wir in der Dämmerung um durch den Bogen die Sonne, genau wie vorausgesagt, in der Mitte des Durchblicks zu photographieren.

Abend. Wintersonnenwende. Wenn das Observatorium stimmte, dann sollte die Sonne im Durchblick des großen Trilithen untergehen. Heute ist der Trilith halb verfallen, doch die Sonne hielt sich an ihre alte Bestimmung.

Für die Menschen, die Stonehenge errichteten, war es ein Ausdruck ihrer Vorstellung von der Bedeutung des Lebens, das vom universalen Rhythmus, der alle Dinge beherrscht, geleitet wird. Für sie waren Wissenschaft und Religion eins. Stonehenge ist ein Monument sowohl für den Glauben des Menschen als auch für die Macht seiner Imagination. Wir haben damit begonnen in das Geheimnis von Stonehenge einzudringen und finden es nun mit dem ewigen Mysterium unserer Stellung im Universum verbunden.

Sprecher war Charles Collingwood. Gute Nacht.

Fußnoten

1. Copyright: 1965, Columbia Broadcasting System. Inc. Alle Rechte vorbehalten. [back]